Skip to main content

Am Samstag Abend erfüllte sich für mich ein lebenslanger Traum. Ich stand in der Royal Albert Hall bei der Last Night of the Proms. Nein, nicht jener von Nokia gesponserten Veranstaltung, in der 80s-Pop-Zombies wiederbeatmet werden, sondern dem Original, einer wundervollen, irren Mischung aus englischem Nationalismus, britischem Humor und klassischer Musik auf höchstem Niveau.

Es war ein großartiger, überwältigender Abend. Und doch macht er im Nachhinein ein wenig traurig, ist man Deutscher. Dann, wenn man auf das Programm der BBC blickt. Samstag Abend, 12. September 2009. Um 20.15 Uhr zeigt die ARD „Frag doch mal die Maus:

„Kniffliges Sommerfinale: Jörg Pilawa und die Maus laden ein zum großen Fernsehevent für die ganze Familie am Samstagabend im Ersten. Kinder haben ihre besten Sommerfragen aus den Ferien mitgebracht – und drei Kandidatenteams sollen zeigen, ob sie die passenden Antworten im Gepäck haben.“

Zur gleichen Zeit im ZDF: „Schwarzer Engel“, ein deutsch-schwedischer Krimi.

Das ist noch bemerkenswert hochwertig. Kommenden Samstag erfreut uns das Erste mit dem „Musikantenstadl“, das Zweite mit dem Krimi „Einsatz in Hamburg“.

Am vergangenen Samstag übertrug die BBC dagegen den ersten Teil der „Last Night of the Proms“, der neben Leichtem, wie einem Trompetenkonzern von Haydn, auch schwerer verdauliches wie Lieder von Mahler enthielt, live auf BBC2. Den zweiten Part, mit den legendären patriotischen Liedern „Rule Britannia“, „Land of Hope and Glory“ oder „Jerusalem“ übernahm dann BBC1.

Sicher, die „Last Night“ spielt eine besondere Rolle für die Briten. Aber trotzdem: Sind sie soviel Klassik- und Kultur-bereiter als die Deutschen? Klassik mit viel Aufwand zur besten Samstag-Abend-Sendezeit. Wann hat es das in Deutschland zuletzt gegeben? Sicher, 3Sat und Arte widmen sich diesen Themen. Doch warum nicht im Ersten und dem ZDF?

Die Antwort ist scheinbar leicht: Das interessiert nur eine Minderheit. Und die würde sofort auf RTL oder Pro7 schalten, erklängen Geigen und Trompeten außerhalb des Silbereisen-Humptata.

In diese Erklärung spielt das Schielen auf die Quote eine Rolle. Ein Schielen, das öffentlich-rechtliche Sender eigentlich nicht haben sollten. Schließlich haben sie einen öffentlichen Auftrag und am Samstag Abend dürfen sie ohnehin keine Werbeschaltungen platzieren. Faktisch aber ist die monatliche Durchschnittsquote eben auch ein Kriterium – und somit starren die Verantwortlichen ständig auf die Einschaltquote.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bei klassischer Musik oder Theater oder einer Dokumentation hängen bleibt, obwohl er für sich selbst beschlossen hat, dass er all das langweilig findet, ist gering. Doch ist diese verschwindend geringe Hoffnung nicht der Grund, warum Lehrer selbst die verzweifeltsten Fälle in ihrer Klasse mitschleppen in Museen und Schauspielhäuser? Der Glaube, dass vielleicht nicht direkt der Funke überspringt, aber irgendwie ein kleines bisschen was haften bleibt?

Und vielleicht sitzt dann an einem Samstag Abend ein junges Paar beisammen und zappt durch die Kanäle, weil bei „Schlag den Raab“ gerade Pause ist. Und dann stoßen sie auf wunderschönes, harmonisches Trompetenkonzert und das Instrument bedient die gerade mal 31-Jährige Alison Balsom. Er – bedienen wir mal die Klischees – will weiterschalten, sie sagt: „Lass doch mal“. Und vielleicht entdecken sie, dass diese Art von Musik ja irgendwie was hat.

Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Aber wollen wir sie völlig fahren lassen? Sogar bei TV-Häusern, die mit erheblichen öffentlichen Geldern finanziert werden?

Warum also ist es nicht möglich, einen Abend im Jahr so zu gestalten? Einen Abend in der ARD, einen im ZDF – das wären schon zwei. Selbst die aber scheinen zuviel verlangt.


Kommentare


joachim casper 14. September 2009 um 17:35

… Der ndr hat übertragen – mit rolf seelmann-eggebrecht als moderator ..

Antworten

Fischer 14. September 2009 um 17:39

Bin vollkommen einverstanden. Vorschlag: Den Ring-Zyklus live aus Bayreuth, volles Rohr! 😉

Antworten

WT 14. September 2009 um 17:46

Tja, es ist das erste Mal, dass ich richtig neidisch bin auf Herrn Knüwer. Mir hätte »dabei sein« im Hyde Park schon genügt. Die Tradition der Promenaden-Konzerte ist hierzulande leider völlig fremd. Aber Humptata in Dubai oder Peking wird mit Gebühren finanziert.

Antworten

Stefan Fries 14. September 2009 um 17:51

In der Tat spielen die Proms und besonders die Last Night eine besondere Rolle für die Briten – schon bei ihrer Gründung, und das ganz unabhängig von der Übertragung in Radio und Fernsehen. Sicher hat die Ausstrahlung sie aber erst zu dem gemacht, was sie heute sind.

Wahrscheinlich macht einen besonderen Reiz der Last Night aus, dass dort patriotische Lieder gespielt und mitgesungen werden, die es so in Deutschland nicht gibt bzw. die aus bekannten Gründen zu singen nicht statthaft ist.

Die Proms werden zwar heute von der BBC ausgerichtet, wurden aber nicht von ihr begründet, diesen Vorwurf kann man ARD und ZDF also nicht machen.

Grundsätzlich unterstütze ich aber Deine Idee: Ich finde auch, dass man Klassik durchaus populär präsentieren kann. Wie wäre es mit einer Kombination: Zunächst klassische Filmmusik – der \“Empirial March\“ aus \“Star Wars\“ – und dann ein klassischer Klassiker, zum Beispiel den \“Bolero\“.

Fällt Dir denn eine klassische Veranstaltung in Deutschland ein, die den Rang einer Last Night einnehmen kann, wenn man sie entsprechend vermarktet?

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bemühen sich übrigens schon seit Jahren um eine solche Öffentlichkeit (verwiesen sei nur auf das \“Music Discovery Project\“ des HR-Sinfonieorchesters, das mit DJs wie Paul van Dyk und Mousse T. zusammenarbeitet).

Und noch was: Die Last Night wird vom Rundfunkorchester der BBC gespielt, ein öffentlich-rechtliches Orchester, gegen deren Form in Deutschland gerne mal polemisiert wird (was teilweise auch gerechtfertigt ist).

Antworten

Ugugu 14. September 2009 um 17:53

Und dringend zwischen zwei Stücken eine Prise britischen Humor einfliessen lassen: Die Briten wussten nämlich schon lange vor Erfindung der TV-Fernbedienung, dass man Zuschauer zwischen zwei Liedern nicht einfach so wegdösen lassen darf…

Antworten

Arnulf 14. September 2009 um 18:23

Wobei man ARD und ZDF zugute halten muss, dass sie klassische Konzerte (wenn auch meist nicht zur Hauptsendezeit) durchaus übertragen: das Silvesterkonzert aus Berlin zum Beispiel, oder das Neujahrskonzert aus Wien. Außerdem gab es früher öfters Versuche mit Justus Franz\‘ \“Philharmonie der Nationen\“. Klassik-Puristen mögen bei sowas die Nase rümpfen, aber das kommt eher an die Last Night heran als Wagners Ring-Zyklus. Und auch die BBC überlässt ja die nicht so populären Teile lieber ihrem zweiten Programm, während nur die Gassenhauer auf dem ersten laufen.

Antworten

Martin Raißle 14. September 2009 um 18:24

Es ist zwar völlig richtig, dass die öffentlich-rechtlichen Sender einen Auftrag haben, aber es ist nicht der reine Bildungsauftrag. Sie sind auch angehalten – in gewissem Maße – Bespaßung für die Massen zu bieten. Und eine hohe Einschaltquote bedeutet halt auch, dass sich ein größerer Teil der Gebührenzahler damit anfreunden kann.

Da man ja inzwischen deutschlandweit alle dritten Programme und die Spartenkanäle empfangen kann, und ich somit nicht genötigt werde, mir Hansi Hinterseher anzugucken, find ich es durchaus in Ordnung. Natürlich trifft es nicht jedermanns Geschmack, aber nur weil wir Klassik für etwas besseres halten, haben wir nicht das Recht, anderen unsere Wünsche aufzudrücken.

Es gibt auch klassisches Bildungsprogramm bei ARD und ZDF. Manchmal auch zur Primetime, aber halt nicht immer. Dafür gibt es auch nicht immer Volksmusik. Ich bin im großen und ganzen doch recht zufrieden mit dem System öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Antworten

Patrick 14. September 2009 um 18:55

Sehr fein!
Hab ich da bei 5:54 eine Deutschlandflagge gesehen? 🙂
Sehr imposant. Ich als Exil-Halbbrite habe aber den Eindruck, dass die britische Gesellschaft mindestens ebenso geteilt ist wie die deutsche. Da gibt es noch die feine britische Dame mit dem sarkastischen, trockenen Humor und der Tea-Time, daneben aber viele Abgehängte, die ganz anders drauf sind und wohl kaum mehr Interesse an klassischer Musik hat als der TV-Total-Zuschauer.

Aber es stimmt wohl: ein solches Event gäbe es hier wohl eher nicht.

Antworten

Gefährder 14. September 2009 um 19:04

An welcher Stelle erfüllen denn ARD und ZDF (in ihren Hauptkanälen) den klassischen Bildungsauftrag?

Antworten

Martin Raißle 14. September 2009 um 20:03

Zugegeben, ich schau nicht sehr viel fern, wenn ich allerdings mal in die Fernsehzeitung gucke, dann würde ich folgende Sendungen in den nächsten 7 Tagen als Teil des klassischen Bildungsauftrags sehen. Ich schreib mal nur Sendungen im Bereich von 19.00 – 22.00 Uhr auf, das würde ich als \“Primetime\“ bezeichnen.

Heute: ARD 21:00 \“Der TV-Dreikampf\“
Dienstag: ARD 19:45 \“Wissen vor Acht\“, 21:50 \“PlusMinus\“; ZDF 20:15 \“Wahlforum\“
Mittwoch: ARD 19:45 \“Wissen vor Acht\“;
Donnerstag: ARD: 19:45 \“Wissen vor Acht\“, 21:45 \“Kontraste\“;
Freitag: ARD: 19:45 \“Wissen vor Acht\“;
Samstag: hier sieht es schon wieder ziemlich mau aus;
Sonntag: ARD 19:20 \“Weltspiegel\“; ZDF: 19:30 \“Terra X\“

Außerdem gibt es im Prinzip stündlich (nur halt abwechselnd) Nachrichten, die meiner Meinung nach, zu den besseren im deutschen Free-TV gehören. Sie sind nicht perfekt, aber deutlich über dem Niveau von RTL2, Pro7 und Sat1.

Es ist sicher Geschmackssache, ob einem immer alles gefällt. Allerdings sehe ich auch folgendes: Wenn durch das \“Schielen auf Quoten\“ höhere Werbeeinahmen erzielt werden können und so die Gebühren nicht unnötig steigen und ich trotzdem auf Arte / 3Sat / etc. sehen kann, was mir gefällt und was sicherlich auch deutlich näher am Bildungsauftrag liegt, dann find ich das in Ordnung.

Antworten

Anne Malter 14. September 2009 um 21:22

Ich finde man sollte auch mal entspannen können und nicht bei jedem Konzertbesuch im Ausland das Schlechte im Inland suchen – und das natürlich bei den ÖffRechtlichen.
Trotzdem gebe ich Ihnen Recht – ich brauche das ganze Geseiere und den Softfilmscharrn auch nicht und ich wäre froh, wenn man den Öffrechtlichen vorgäbe, Quoten zu missachten und – elitäre?- Qualitäten zu lieben.
Aber muß man das dann wieder mit öffentlichem Geld finanzieren? Sollen doch die oberen Paartausend ins Theater gehen, leisten können sie sich das ja …

Antworten

Thomas Böhm 14. September 2009 um 21:47

Die Zukunft liegt mal wieder im Internet. Da haben die Berliner Philharmoniker im Januar ihren eigenen Kanal gegründet (genannt „Digital Concert Hall“), der jedes (!) Konzert aus der Philharmonie live und in HD überträgt: http://dch.berliner-philharmoniker.de Ist allerdings nicht kostenlos (und insofern auch ein spannendes Experiment, was man im Internet mit Inhalten verdienen kann, wenn sie denn exklusiv sind).

Antworten

Michael 14. September 2009 um 23:54

Mit dem Grundversorgungsauftrag der ÖR lässt sich viel einfordern, mit dem Bildungsauftrag noch viel mehr. Mit gleicher Berechtigung wie der Forderung nach mehr klassicher Musik lässt sich aber jedes (Rand-)Gruppenanliegen auch rechtfertigen.

Und wo würde das im hypothetischen Fall hinführen: Nur noch \“Qualität\“ und \“Bildung\“, kein \“Softfilmschmarrn\“ mehr, aber dafür ein Legitmationsproblem für ein 7,5 Milliarden Gebührenfernsehen ohne Zuschauer – tolle Aussichten.

Warum reicht es nicht, wenn solche Angebote auf 3SAT/Arte laufen. Ist doch toll, dass es sie dort gibt. Und empfangen kann die Nischenableger der ÖR doch inzwischen fast jeder. Wo also steckt das Problem? Fehlender missionarischer Eifer für eine Spielart der Musik?

Es mag viele Kritikpunkte an den ÖR geben, aber der vorgebrachte ist genauso an den Haaren herbeigezogen wie eine fehlende Live-Berichterstattung vom Wacken-Open-Air, irgendeinem Red-Bull-Extremevent in den Alpen oder einem Games-League-Wettkampf.

Antworten

Horst 15. September 2009 um 9:22

Müßig, sich darüber weiter zu beklagen. Der Pöbel hat halt gewonnen.

Antworten

Moosblogger 15. September 2009 um 12:29

Einen Tipp, wie man an Karten kommt, vermisse ich hier noch.

Antworten

lupe 15. September 2009 um 12:40

Schaue/höre mir in jedem Jahr die letzte Nacht im NDR an, ein köstliches Vergnügen.

Schaute mir jedoch nicht das Kanzlerkandidaten-Duett an, auch nicht, als es zeitgleich im Ersten und im Zweiten gesendet wurde. Wozu die Dopplung gut sein soll, verstehe ich nicht.

Antworten

mona_lisa 15. September 2009 um 13:42

Sicher geht nichts über das \“live dabei und mittendrin\“-Gefühl, keine Frage. Ich habe bei der Übertragung des zweiten Teils der \“Last Night\“ im NDR jeden Einzelnen beneidet, sei er in der Royal Albert Hall oder auf einem der Open Airs gewesen.

Die ÖR übertragen sehr wohl Teile oder sogar die komplette Aufzeichnung der Proms, seit Jahren auf einem der Dritten Programme, manchmal live, manchmal einen Tag später. Am Samstag abend lief die kommentierte Liveübertragung des zweiten Teils im NDR (den Kommentator hätte man sich sparen können), in der Nacht von Sonntag zu Montag sogar die komplette BBC-Fassung im Original (ab 1 Uhr bis irgendwann halb 4). Sie sollten besser recherchieren, Herr Knüwer, bevor Sie sich über die Sendeplätze der Öffentlich-Rechtlichen beschweren. Ich erwarte im Zeitalter digitalen Fernsehens nicht zwingend die Direktübertragung eines solchen Ereignisses zur besten Sendezeit auf ARD oder ZDF, sondern bin schon glücklich über die angebotenen Möglichkeiten. Besser als gar nicht ist es allemal.

Antworten

Gefährder 15. September 2009 um 14:02

Klar: es ist vergossene Milch, die Öffentlich-Rechtlichen gucken auf die Quote (und müssen das wohl auch). Auch klar, dass es bis zu einem gewissen Grad massenkompatible Programme geben muß. Aber gilt das auch für billige Kopien von kommerziellen Formaten? Die Nachmittagsprogramme der ÖR und der Kommerziellen unterscheiden sich praktisch gar nicht mehr.
Zum \“Duell\“ am Sonntag: Die Quotenschielerei aller vier veranstaltenden Programme führte dazu, dass ausgerechnet von den ÖR eben keine Journalisten als Moderatoren eingesetzt wurden sondern Talkshow-Ansager. Dann lieber mit qualifizierten Journalisten auf 3sat oder arte.

Antworten

moldo 15. September 2009 um 14:05

aber wir haben doch Andre Riö!!!

Antworten

Axel 15. September 2009 um 16:12

Der Neid ist die schlimmste Krankheit bei Menschen.
Der allerschlimmste Neid ist Neid of the Proms.
Helge Schneider

Antworten

Peter 15. September 2009 um 17:42

Es ist ja alles noch viel schlimmer – man möge sich mal anschauen, was für tolle Spielfilme das Erste und das Zweite derzeit gegen Mitternacht versenden. Teils Erstausstrahlungen, die richtig gut sind und die man problemlos auch um 20.15 Uhr bringen könnte.

Beispielsweise \“Little Miss Sunshine\“ – massenkompatibel und einfach nur unterhaltsam, wenn man sich trauen würde. Oder \“Das Mädchen mit dem Perlenohrring\“, \“Babel\“ oder \“München\“. Wichtige, aktuelle Stoffe, zum Teil mit deutschem Bezug.

Unfassbar.

Antworten

gsohn 15. September 2009 um 18:20

Da bin ich echt neidisch. Ich verfolge die Last Night seit Ende der 70er Jahre. Nach dem Abi besuchte ich meine Tante in London und sie organisierte einen Besuch dieser gigantischen Klassik-Veranstaltung. Das war 1979. Und so gehört es mittlerweile bei mir zur Tradition, Freunde einzuladen und die Liveübertragung des zweiten Teils im NDR anzuschauen. So eine Tradition werden wir in Deutschland nicht etablieren. Die Henry Woods-Proms kann man einfach nicht toppen.

Antworten

f.luebberding 16. September 2009 um 10:44

Knüwer

Interessanter Text. Ich bin ja nicht nur Wirtschaftsjournalist oder blogger bei Weissgarnix, sondern in erster Linie Pressesprecher des Volksmusikerbundes NRW. Was die Proms ausmacht – und ich habe das natürlich gesehen – ist das fehlen dieser deutschen Krankheit, nämlich die Trennung zwischen Unterhaltung, Klassik und Volksmusik. Dort findet man das gesamte musikalsische Spektrum, nur kommt in England niemand auf die Idee etwa sinfonische Blasmusik mit volkstümlicher Musik zu verwechseln. Zu den proms gehören eben auch die am Samstag zu hörenden jungen Komponisten mit ihren Fanfaren, gleichberechtigt neben Händel. Das ist Volksmusik im besten Sinne. Dort findet man das was wir in unseren mehr als 1000 Vereinen jeden Tag machen und in Konzerten an fast jedem Wochenende zu sehen und hören ist. Von unseren 50.000 aktiven Musikern sind übrigens mehr als 60 % unter 25 Jahre alt. Also die Leser des Handelsblatts sind im Schnitt älter … . Twitterer wohl auch. Es gibt auch echte higlights bei uns wie die musikalische Begleitung des alten Fritz Lang Klassikers \“Metropolis\“ in der Kölner Philharmonie durch unser Landesblasorchester. In Köln waren vor wenigen Tagen mehr als 1.600 Besucher – zumeist ziemlich jung.

Ich finde es also mehr als erfreulich, dass Sie, Herr Kollege, die proms genutzt haben, um dieses wichtige Thema anzusprechen. Das gibt es auch bei uns – nur wird es bisweilen nicht registriert. Vor allem nicht von einem Teil der Medien. Der Grund ist auch einfach: Diese unsinnige Trennung etwa zwischen E und U – zwischen hoher Klassik und dem angeblich nicht ganz so beduetenden Rest. Die Briten sehen das pragmatisch – und nicht hierarchisch. Das ist der Unterschied.

Also mein Vorschlag: Man muss nicht nach London fahren. Wir finden auch was in Ihrer Nähe. Ich lade Sie zu einem Konzert ein – und dann reden wir weiter. Wer sich übrigens für das Thema interessiert, ein Hinweis auf unsere homepage.

www.vmb-nrw.de

Weissgarnix darf man natürlich trotzdem lesen.

Mit kollegialen Grüßen

Frank Lübberding

Antworten

Stefan Wild 21. September 2009 um 9:07

Habe von 2006 bis 2008 Dank \“schielender\“ Satellitenschüssel BBC Fernsehen und Radio empfangen können und kann das nur bestätigen. Was dort regelmäßig an Qualität geboten wird, ist tatsächlich eine andere Liga. Sicher gibt es auch dort die eine oder andere Soap. Aber in der Zeit habe ich auf den BBC Programmen mehr hochwertige Sendungen verpasst, als im deutschen Fernsehen überhaupt gesendet wurde. So jedenfalls mein persönlicher Eindruck.

Natürlich das Ganze ohne Werbung, in 16:9 und vieles in HD – der HD \“Test\“ Kanal BBC HD ist seit 2006 dauerhaft geschaltet und dort wurde z.B. die Fußball WM 2006, EM 2008, Olympischen Spiele 2008, Leichtathletik WM 2009, aber auch Musik wie Night of the Proms, Later… with Jools Holland, Glastonbury, Live-8, Dokus wie Planet Earth, welches ich als Erstausstralung und in HD (das ist Material, mit dem man HDTVs und die nötigen Receiver mühelos verkaufen könnte) sehen durfte, uvm. gezeigt.

Thomas, du sprichst ein Henne-Ei Problem an, das wir hier haben. Die Briten würden auf die Barrikaden gehen, wenn Ihnen jemand an die Qualität der BBC ginge. Wir sind es hier einfach nicht gewohnt – die wenigen Perlen gehen in (massiv beworbenen) Marienhof, Verbotene Liebe, Großstadtrevier, Eine für alle und Quiz mit Jörg Pilawa vollkommen unter. Und somit ist auch kein großartiger Bedarf da, \“niemand\“ schreit nach Verbesserung – bis auf die paar \“Freaks\“, die ihre Schüssel drehen und britisches Fernsehen schauen. Und das gilt für die inhaltliche Qualität genauso wie für die Übertragungsqualität. Nochmal: HD Übertragungen, die ARD und ZDF uns zur Leichtathletik WM als das neuartige Wunder verkauft haben (nicht falsch verstehen, ich habe mich sehr darüber gefreut), ist bei der BBC seit über drei Jahren, in Österreich und Schweiz seit über einem Jahr, auch in Ungarn wurden die Olympischen Spiele in HD gezeigt. Und begründet wird das, wie du so schön schon zum Inhaltlichen anmerkst, mit den Argumenten eines profitorientierten Unternehmens.

Schön, dass es mal jemand anspricht, der wenigstens ein etwas breiteres Publikum erreicht.

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*