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Es scheint unter den deutschen Zeitungen, die für sich das Testat „Qualitätsmedium“ erheben, einen Wettbewerb zu geben: Wer schreibt in jedem Jahr den voreingenommensten und uniformiertesten Artikel über den Internet-Kongress Re-Publica?

The winner 2009 is: Jochen Stahnke, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Stichwort: asexuelle Wesen. Erinnern Sie sich? Im vergangenen Jahr schickte die „Süddeutsche Zeitung“ einen Berichterstatter zum Web-Kongress Re-Publica, der mit abstrusen Vorurteilen und ohne jede Recherche dort auflief und einen Artikel verfasste, der einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hätte, wäre in diesem Tonfall über Modelleisenbahner geschrieben worden.

Im stetigen Kampf mit der „SZ“ scheint das die „FAZ“ nicht akzeptieren zu können. „Das können wir besser“, rief wohl jemand: „Wir können noch voreingenommener und dümmer über die Re-Publica schreiben.“

Und so schickten sie Jochen Stahnke.

Der hat möglicherweise auf diesen Termin keine Lust gehabt. Und findet das ganze Thema Internet gräuslich. Das ist sein gutes Recht. Nicht sein gutes Recht und eine Verletzung seiner Berufspflicht ist es aber, diese Vorurteile zu vermischen mit falscher, unkundiger und verzerrter Berichterstattung sowie persönlicher Meinung.

„Ich seh nur Pfeifen“ ist sein Artikel überschrieben, vielleicht hat er in den Spiegel geblickt, vielleicht den Witz, den Mario Sixtus über Twitter gemacht hat („Ich glaub ich hab Augen-Tinnitus – ich seh nur Pfeifen“) nicht verstanden.

Gehen wir also das Geschwurbel des Herrn mal durch.

Da behauptet er, die hundertausende von deutschen Blogs würden nicht über den G20-Gipfel schreiben. Nun ist es in der Tat so, dass dieser bei der Konferenz kaum eine Rolle spielte. Aber mit Verlaub: Eine Konferenz für 1600 Leute wird nicht von heut auf morgen organisiert, ich halte es nicht für realistisch, mal eben ein Thema in kurzer Zeit dazwischen zu quetschen (auch wenn das Thema Wirtschaft und Blogs mal ein Podium wert gewesen wäre). Vielleicht aber liest Herr Stahnke mal Blogs, bevor er die Behauptung aufstellt – Rivva listet doch den einen oder anderen Artikel auf.

Die Twitter-Lesung findet Herr Stahnke nicht gut. Sein gutes Recht, er dürfte einer der wenigen gewesen sein, der nicht seinen Spaß hatte. Selbst Twitter-Kritiker Harald Martenstein war da – hat sich bestens amüsiert, wie er hinterher zugab.

Stahnke mokiert sich über einen Tweet, in dem es ums Händewaschen geht. Er vergisst hinzuzufügen, dass dahinter eine Geschichte steckt, die zwar Szene-Humor enthält, zumindest aber schmunzelig ist – muss er aber nicht erwähnen, würde seine These kaputt machen.

Dass es bei dieser Twitter-Lesung wunderschöne Wortspiele gab, Alltagsbeobachtungen und Kurzbeschreibungen, all das lässt Stahnke außen vor. Nicht einmal die zynische Bemerkung
„Was, es gibt eine gedruckte Version der New York Times? Verstehe, für die Obdachlosen“
mag er als solche hinnehmen – er behauptet, sie solle eine Information darstellen. Dass er jenes alte Vorurteil, Twitter-Nutzer müssten ständig etwas schreiben wiederkäut – gut, intellektuelle Auseinandersetzung darf man wohl wirklich von deutschen Journalisten nicht mehr erwarten. Dafür haben sie keine Zeit, sie müssen ja ständig irgendwas in Zeitungen schreiben. So wie Twitter-Nutzer in Twitter.

Ja, und selbstreferenziell war die Konferenz natürlich auch, bekrittelt Stahnke. Wie anders laufen doch Konferenzen von Mikrobiologen ab, die dort über die Zukunft des Theaters diskutieren, oder die Kongresse des Verlegerverbandes erst – wie gern reden sie über die Fortschritte in der Orthopädie. Kongresse sind immer selbstreferenziell ihres Themas gegenüber, alles andere wäre ziemlicher Unfug.

Dass die Re-Publica kein Blog-Kongress ist, sondern ein Kongress aus der Blog-Szene, der sich mit Social Media befasst – egal. Dass Jimmy Wales keine Zuhörer fand, weil er Web-Kennern Wikipedia erklären wollte – egal. Kleinere Seminare zu spezielleren Themen – passen Herrn Stahnke auch nicht. Dass die Re-Publica ja gerade damit angekündigt wird, ein breites Spektrum zu haben, dies also keine Überraschung sein kann – egal. Wenn Polit-Aktivisten spannende Geschichten erzählen, scheint er gerade nicht im entsprechenden Raum gewesen zu sein.

Und schließlich ereifert sich Stahnke über Lawrence Lessig, dessen Vortrag weitaus tiefergehend und anspruchsvoller ist, als das, was der „FAZ“-Mann daraus macht. Letzterer vermischt munter Meinung und Bericht – eigentlich ein Faux-pas im deutschen Journalismus. Ach ja, die teilweise stehenden Ovationen für Lessig würden auch nicht in diese Berichterstattung passen.

So bleibt das Bild, eines miesepetrigen, unkundigen Menschen, der keinerlei Lust hat, sich mit dem Thema, über das er schreibt, zu beschäftigen und den Leser unvoreingenommen zu informieren.

Gratulation, liebe „FAZ“, Sie sind wieder gleichauf mit der „Süddeutschen“. Leider ist das in diesem Fall kein Zeugnis der Qualität.

Nachtrag vom 8.4.: Erstaunlich auch, wie die „Taz“ einen neutralen Text über die Veranstaltung verändert hat.


Kommentare


Don Alphonso 7. April 2009 um 2:34

Was ich mich bei solchen Reaktionen immer frage: Warum, wenn man schon solche Vorlagen liefert, versucht man nicht, besser zu vermitteln? Und warum gibt es nicht mehr Irrelevanz mit Substanz, die den Medien ihr Agenda Setting um die Ohren haut, wenn man schon nicht mitspielen kann oder will? Ich mag Blogs wirklich und denke auch, dass sie Potenzial haben, aber das hatten sie schon immer. Wo bleiben diejenigen, die das Potenzial dann auch nutzen, und warum dauert das so unsagbar lange, warum kreist der Moloch lieber um sich selbst, und wieso muss ein Journalist versuchen, etwas zu verstehen, was ganz offensichtlich eine Ingroup bleiben möchte, an der man sich orientieren soll, weil sie sich für die Zukunft hält? Man kann über den Beitrag durchaus streiten, aber ich sehe das Problem keinesfalls einseitig.

[Disclosure: Ich blogge bei FAZ.net]

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Thomas Knüwer 7. April 2009 um 8:07

Also ich glaube, es gibt genug Blogs, die Medien Agenda Setting um die Ohren hauen. Die meisten Medienvertreter und Volksvertreter lesen sie nicht.

Das wirft die Frage auf: Sind sie deshalb irrelevant? \“Was kann das Internet dafür, dass die Politiker es nicht lesen\“, sagte jemand auf der Re-Publica (es war ein Podiumsteilnehmer, vielleicht weiß jemand noch, wer). Das stellt die Frage: Was ist Relevanz?

Medien und Politiker sitzen in einem Relevanz-Hallraum, in dem sie sich gegenseitig befeuern. Gleichzeitig hat eine Seite wie Netzpolitik laut Statistikdiensten mehr Zugriffe als jede Parteiseite. Ist sie irrelevant? Und wenn die drei Tage in Berlin so völlig irrelevant sind, warum schicken die großen Blätter immer noch Berichterstatter? Ist das nicht Verschwendung knapper Redaktionsressourcen?

Nein, Internet-Seiten mit einigen tausend Lesern täglich sind relevant. Warum zu wenige Blogs über Politik und gerade Wirtschaft in Deutschland schreiben, ist ein Thema, mit dem ich mich auch noch mal in den kommenden Tagen befassen werde.

Doch es gibt längst Bereiche, in denen Blogs auch in Deutschland höchst relevant sind: Mode, zum Beispiel, oder Wein. Und das Beispiel der Netbook News ist genau das, was Du Dir wünschst: Da packt einer seine Chance an. Nur neigen wir in Deutschland dazu, alles für irrelevant zu halten, was nicht Politik oder Kultur ist (übrigens halten ja auch die meisten klassischen Medien es nicht so fürchterlich mit der Wirtschaftsberichterstattung).

Eines aber, lässt sich im Rahmen einer Konferenz nicht festmachen: Eine Konferenz ist immer eine In-Gruppe. Je intensiver ein bestimmtes Thema diskutiert wird, desto unverständlicher wird es für Außenstehende. Versucht aber eine Konferenz für jedermann verständlich zu sein, so wird sie für Kenner völlig uninteressant.

In diesem Zusammenhang empfehle ich auch noch die Lektüre des exzellenten Wirres.net-Artikels:
http://wirres.net/article/articleview/5172/1/6/

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Lapidarium42 7. April 2009 um 8:10

die Masse der praktischen Web 2.0 Anwender interessiert die Meinung des nörgeligen Journalisten vermutlich genauso wenig wie die ganze Republica. Die facebooken, twittern, taggen so vor sich hin und finden die Grundsatzdiskussionen so interessant wie ein Autofahrer die Stahlsorte des Fahrgestells. Das sollte \“Fahrgestellspezialisten\“ nicht daran hindern sich auf einer Insiderveranstaltung zu feiern.

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Patrick 7. April 2009 um 8:15

Herr Knüwer, als \“Internetbeauftragten\“ und Tech-Redakteur empfehle ich ihnen dringend etwas mehr Abstand zu den Protagonisten der \“Szene\“.
Der Artikel mag zwar überspitzt und auch etwas polemisch sein, er trifft in meinen Augen jedoch einige völlig berechtigte Kritikpunkte.
Aus meiner Sicht sind Dinge wie die Selbstreferenzialität oder der Mangel an echten Konzepten schlicht relativ offensichtlich. Sowohl auf solchen Veranstaltungen (soweit ich aus der Ferne beurteilen kann), als auch in der generellen Wahrnehmung von Blogs.
Da kann man Kritik noch so sehr als unseriös brandmarken.
Das hilft weder der deutschen Blogosphäre noch deren Leitfiguren auch nur irgendwie weiter.
Fähigkeit zur Selbstkritik und mehr Mut wären da imho die progressiveren Tugenden – als immer nur mit Entrüstung zu reagieren.

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Thomas Knüwer 7. April 2009 um 8:31

@Patrick: Ich habe die gleiche Nähe oder Ferne zu den Protagonisten wie meine Kollegen, die über andere Branchen schreiben. Und genauso vergleiche ich das, was im Netz passiert, mit anderen Bereichen der Wirtschaft. Und die Überraschung – wobei es keine Überraschung sein dürfte – ist: Das Netz ist gar nicht so viel anders. Nur wird es von den Medien gerne mit völlig anderen Augen betrachtet.

Vielleicht ist es das, was sich ändern muss: Betrachten wir das Internet doch mal wie andere Bereiche unseres Lebens auch.

In einem Punkt aber haben Sie Recht: Ich mag es nicht, wenn jemand etwas auf die Beine stellt, einfach mal macht – und dann dafür heftigst attackiert wird. Das ist jenes Verhalten, das als typisch deutsch gelten muss. Die Veranstalter der Re-Publica haben einen Job, um den man sie nicht beneiden kann: Käme Jesus zu einer Keynote über das Wasser der Spree spaziert, würde kritisiert, dass Religion keine Bedeutung mehr hat und er doch bitteschön mal relevanter schreiten sollte.

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Ponscho 7. April 2009 um 8:43

Ich hab den Artikel von Jochen Stahnke nicht gelesen. Mich langweilt das Thema nämlich, egal ob in Mainstream-Medien oder in Blogs. Aber wenn er behauptet, die hundertausende von deutschen Blogs würden nicht über den G20-Gipfel schreiben, hat er damit ja wohl noch nicht verlangt, dass das Thema unbedingt auf der re:firlefanzia besprochen werden muss. Also wer \“schwurbelt\“ da jetzt wohl?

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Rainersacht 7. April 2009 um 8:51

\“Ich habe die gleiche Nähe oder Ferne zu den Protagonisten wie meine Kollegen, die über andere Branchen schreiben.\“

Komisch, wird gerade in den letzten Wochen nicht wirklich deutlich hier. Riecht zunehmend nach Twitter-PR. Und da wissen wir ja, welche Indviduen diese in D-Land im eigenen Interesse vorantreiben(wollen). Richtig: die Protagonisten.

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Patrick 7. April 2009 um 8:59

Zitat: \“Ich mag es nicht, wenn jemand etwas auf die Beine stellt, einfach mal macht – und dann dafür heftigst attackiert wird.\“

In meinen Augen attackiert niemand jemanden, der einfach mal macht. Allerdings bin auch ich skeptisch, wenn jemand einfach mal gemacht hat und dies dann als \“die\“ Zukunft von wasauchimmer darstellt.
Niemand fordert a priori Relevanz von irgendetwas, das im Netz passiert. Umgekehrt wird diese Relevanz allerdings recht regelmäßig für sich in Anspruch genommen, die für Außenstehende allerdings kaum wahrnehmbar ist. Derartige Diskrepanzen sind es, die zwischen Claims und Wahrnehmung entstehen und solche Veranstaltungen untergraben.

Ich persönlich finde es spannend, was die Nutzer mit den verschiedensten Tools im Web so anstellen. Trotzdem käme ich nicht auf die Idee, das Ausprobieren von Tools zu einem \“Wandel\“, \“Shift\“ oder ähnlichem zu erklären. In meinen Augen hat die re:publica schlicht kaum progressives Potenzial. Die Außenwirkung(!) geht eher in Richtung Selbstzufriedenheit, Verspieltheit und Eigen-PR einiger weniger.
Das ist schade. Hält man den angeleckten Finger in den Wind, wähnt man sich anhand der Aufbruchsstimmung im Jahr 2003…

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David 7. April 2009 um 9:33

Ich kann die Kritik in dem FAZ-Stück schon nachvollziehen. Schon seit Jahren wird ja – auch hier in diesem Blog – über die Relevanz und Bedeutung dieser neuen Kommunikationsformen geschrieben, die – so klingt es zumindest implizit, aber oft auch ganz direkt heraus – sogar so gut seien, dass sie eines Tages dem herkömmlichen Journalismus Konkurrenz machen können.
Und ausgerechnet die Protagonisten dieser Thesen schreiben dann bei Twitter über ihre Zugfahrten und andere Alltagsprobleme. Amüsante Belanglosigkeite halt.

Es sind diese Zitate wie \“Jeder ist Presse\“ und \“Gedruckte Zeitungen haben keine Zukunft\“, die albernen Tweets über das Händewaschen oder die durchzechte Nacht oder Follower-Partys gegenüber stehen.

Ich finde, da kann ein berichterstattender Journalist schon zurecht fragen: Woher nehmen diese Konferenzteilnehmer eigentlich ihr großes Selbstvertrauen, was ihre eigene Relevanz angeht? Und ich kann es zumindest nachvollziehen, wie jemand zu dem Schluss kommt, dass die Bedeutung dieser neuen Kommunikationsformen nicht sonderlich groß ist, um sich dann textlich darüber lustig zu machen.

Natürlich: Das ist zu kurz gedacht. Aber machen es die, die sich dem Hype um Twitter, Blogs und Podcasts (wo sind die eigentlich? Die sollten doch eigentlich längst das herkömmliche Radio zerstört haben!) anschließen, viel besser?

Ich halte Blogs und zum Teil auch Twitter in einigen Themen für sehr relevant. Zumindest wenn man beides richtig benutzt. Aber an die große Medienrevolution glaube ich noch nicht – ein bisschen Differenzierung in der Berichterstattung fände ich deshalb ganz gut.

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Christian Scholz 7. April 2009 um 9:53

Ich kann die Kritikpunkte des Artikels auch nachvollziehen. Allerdings nervt mich diese ganze Diskussion doch etwas. Aufeinander einschlagen ist ja schön, irgendwas Produktives kommt aber nicht dabei raus.

Fakt ist ja wohl, dass Blogs in der Tat im Moment die bösen Journalisten nicht ersetzen können. Fakt ist aber auch, dass Blogs Potential haben. Aber nicht so sehr als Informationslieferant, sondern als Werkzeug, seine Meinung kundzutun und evtl. mit anderen zu diskutieren, um evtl. zu neuen Ergebnissen zu kommen (jedes \“evtl.\“ hier reduziert aber die Wahrscheinlichkeit der folgenden Aussagen, so dass im Ende wahrscheinlich eher 0 übrig bleibt).

Anstatt solcher Diskussionen hier, sollten sich aber vielleicht einfach mal Blogger und Journalisten (so man diese Unterscheidung wählen will) an einen Tisch setzen, um Erfahrungen und Wissen auszutauschen. Dann wären doch alle besser dran. Im Endeffekt wird Social Media nicht weggehen und Journalismus hoffentlich auch nicht. Was passieren wird ist eher, dass alles und jeder irgendwo Social Media nutzen wird, so wie alle heutzutage auch E-Mail oder das Web generell nutzen.

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Fragezeichner 7. April 2009 um 10:19

Bestimmt keine Meisterleistung des Journalismus. Aber hätte man den Artikel nicht einfach mal ignorieren können? Das klingt ein wenig nach dem Bellen getroffener Hunde.

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bosch 7. April 2009 um 10:37

Für einen großen Teil der Teilnehmer ist das Bloggen einfach nur ein Hobby. Insofern bleibt unverständlich, warum – selbst wenn in anderen Ländern politische Blogs eine größere Öffentlichkeit erreichen – nun alles relevant sein muss. Die Frage der Relevanz stellt sich bei einem Treffen von Harley-Davidson-Fahreren genauso wenig wie bei einem Gang durch den Bahnhofsbuchhandel, in man auch 90% Printerzeugnisse über Angler, Modellbauer und Lautsprecherboxen findet.

Dass Veranstaltungen wie die Twitterlesung in der \“seriösen Presse\“ verdammt werden lässt mich (als Mitveranstalter dieses re:publica-Teils) ebenfalls leicht mit dem Kopf schütteln, handelt es sich doch um eine unterhaltende Kulturveranstaltung: Weder Mozart noch Charlie Parker waren ein Bob Dylan.

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stk 7. April 2009 um 10:39

Wenn Jochen Stahnke keinen Draht zur Blogger\“szene\“ hat, warum ihn dann hier verreissen und ihm diese Kritik nicht per Schneckenpost schicken? Wie gross ist die Chance, dass er das hier liest? So gross wie die Chance, dass 60% der MdBs morgen Sascha Lobo followen?

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hjfried 7. April 2009 um 11:14

Hat mal wieder einer schlecht über Blogs geschrieben? Heul doch!

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f.luebberding 7. April 2009 um 11:30

Mir hat neulich ein Bundestagsabgeordneter erzählt, dass er die Wirtschaftsteile der Tageszeitungen nicht mehr liest. Es ist auch nicht sein Fachgebiet, das muss man wissen und war nicht ohne Ironie … .

Aber wieviele Bundestagsabgeordnete lesen wohl das Handelsblatt – außer den Fachleuten? Und diese Fachleute werden wohl auch die interessanten Artikel in interessanten blogs lesen – welche immer das gerade sein werden. Diese Unterscheidung ist doch schon längst eine Künstliche geworden – nur dass halt die Reichweite der blogger im Vergleich zur Auflage von Zeitungen oder zur Reichweite anderen alter Medien immer noch sehr begrenzt ist. Aus welchen Gründen auch immer schaffen es einige Beiträge in blogs über diesen engen Rahmen hinaus wahrgenommen zu werden. Nur ist die Chance dazu eben viel kleiner als wenn man in der FAZ publiziert … .

Aber ein Schicksal teilen die meisten blogs mit den meisten Druckerzeugnissen: Sie sind keineswegs gesellschaftlich relevant. Oder würde Thomas Knüwer etwa über die gesellschaftliche Relevanz einer Angelfachzeitschrift schreiben? Nur warum dann dieser Zirkus über die gesellschaftliche Relevanz von blogs?

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Thomas Knüwer 7. April 2009 um 12:09

@f.luebberding: Ich fürchte, bei Politikern hält Einzug, was wir schon bei Managern sehen. Sie lesen keine Zeitungen oder Magazine mehr, sondern nur noch Pressclippings. Somit entsteht leider eine sehr gefilterte Weltsicht.

Was die Relevanz von Angelfachzeitungen betrifft – ich betone immer wieder, dass die Relevanz sich aus den Augen der Leser/Nutzer bemisst. Dies ist aber leider eine Sicht der Dinge, die hier nicht vorherrscht. Wenn sich die Nutzer von Social Media sich zu einer Konferenz über Social Media zusammenfinden, ein Medium aber Social Media für irrelevant hält – warum dann darüber berichten?

Übrigens gibt es durchaus eine gesellschaftliche Relevanz von Blogs. Nicht beständig, aber punktuell. Kaum ein klassisches Medium hat beispielsweise über den Auftritt von Esra\’a Al Shafei berichtet und ihrem Projekt Mideastyouth.com. Und auch die Frage, ob das Web Lernen und Lehren verändert zog Journalisten anscheinend nicht so an. Sie gingen dann doch lieber zu den Podien, in denen es um klassische Medien ging. Schade.

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Malte 7. April 2009 um 12:12

Ich habe für die Netzeitung einen Blogblick zum Thema Re:Publica erstellt. Der Tenor in den Blogs und Tweets war: unprofessionell organisiert, langweilige Panels (einzig Peter Glaser kam überall gut weg), kein Internet, dieselben Leute wie immer auf der Bühne.

Woran sich die Leute gefreut haben: Alte (Netz)-Bekannte sehen.

Das ist gut und schön, aber ein Journalist, der dort niemanden kennt, dürfte sich gelangweilt haben.

Was lustig wäre, wollte man ein putziges kleines Underground-Barcamp sein. Aber die ganze Veranstaltung trägt schwer an dem größenwahnsinnigen Anspruch, die deutsche Blogosphäre vertreten zu wollen. Sie hält ihren Arsch zum Fenster raus und entgegen schallt es: \“Ihr bekommt nicht mal Internetanschluss hin, ihr Profis von Übermorgen.\“
Kann ich gut verstehen.

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lokalreporter 7. April 2009 um 12:40

ich weiß auch nicht, als freizeit- & lokalblogger fühle ich mich der szene irgendwie dazugehörig, und irgendwie auch nicht.
sehe ich die protagonisten in ihrem selbst durch den friedrichstadtpalast prominieren, muss ich lächeln, soviel unterschwellige konkurrenz sieht man sonst nur auf boots- & hundezüchtermessen. als psychedelisch erfahrener spiritualist & tresenexperte fehlt mir sowas wie ein BLOGGERSPIRIT -> ein unhierarchisches, open minded miteinander.
autoren die nur im kopf stecken und voller konkurrenzgefühle die konkurrenz beobachten, grooven nicht wirklich, nehmen sich und ihr talent viel zu ernst. insofern fand ich die rp09 auch nicht inspiriert oder inspirierend, eher aufgewärmt und sauerstoffarm..

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Thomas Knüwer 7. April 2009 um 13:36

@Malte: Genau das wollte ich ja auch kritisieren. Wenn ein Journalist keinen Zugang zu den Teilnehmern eines Ärzte- oder Historikerkongresses fände, würde er sich nicht über sie mokieren.

Was die Professionalität betrifft: Das Urteil kann ich nicht teilen. Die Orga war insgesamt besser als der deutsche Konferenzdurchschnitt. Wlan – war traurig. Allerdings habe ich vor ein paar Wochen mal mit jemand gesprochen, der sich mit dem Aufbau solcher Netze beschäftigt. Und deshalb halte ich mich mit der Kritik künftig auch zurück. In einem Bau wie dem Friedrichstadtpalast ist das alles andere als einfach, erst recht, wenn jede Menge Leute drin sind, die gleich mehrfach Geräte am Körper haben, die sich automatisch Netze suchen.

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Achim-Creasharing 7. April 2009 um 13:40

Lustig finde ich immer wieder das die k-medien blogs (und mittlerweile auch twitter) kleinreden, aber fast alle k-verlage unterhalten mittlerweile eigene blogs und/oder sind bei twitter vertreten.

dass die k-medien scheinheilig sind, wusste ich ja schon länger, dass sie aber irgendwie auch \“blöd\“ in eigener sache sind, lerne ich erst so nach und nach dazu.

die FAZ wollte kohle vom perlentaucher, weil die zitate eines autors brachten, der autor hatte aber keinen \“vertrag\“ mit der FAZ diesbzgl., dann wollte man doch keine kohle mehr. die FAZ hat sich donalphonso als pro-blogger ins boot geholt, er blogt dort, für mich, über völlig irrelavante dinge über eine gesellschaftsschicht die \“meint\“ besser zu sein.

die FAZ rudert also gerade in allen möglichen teichen umher (angebliches urheberrechtsgedönse, blubberblogger einkaufen usw.) und versucht irgendwie anschluss zu finden an die welt von morgen. da darf dann natürlich ein neidischer blick auf andere in der welt von morgen nicht fehlen. so deute ich den text von stahnke, also inhaltslose irrelevantes kleinschreiben von \“mitkonkurrenten\“.

aber zum glück machts ja nicht nur die FAZ so, sondern eigentlich auch alle anderen. es geht um fresstöpfe, saftige werbung und themensetzung im morgen.

widerlich ist allerdings, das vergessen viele verlage, blogger sind zum großteil amateure.
profis vs. amateure hat immer einen faden beigeschmack.

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Patrick 7. April 2009 um 14:01

Es geht nicht um dafür oder dagegen sein!?
Selbstverständlich \“darf\“ die FAZ bloggen und trotzdem eine re:publica für blutleer halten.
Warum wird immer unterstellt, dass jemand, der Twitter/die deutsche Blogosphäre… für \“ausbaufähig\“ hält, sich ahnungslos/vorurteilsbeladen/konservativ sei, wogegen jemand, der alles supi findet, ja richtig Checke haben müsse? 🙂

Konfrontatives \“findest du \’die Blogs\‘ schon super oder bist du noch von gestern?\“ bringt niemanden weiter.
Es ist doch sinnlos, wenn nur Evangelisten gegen Skeptiker antreten (oder die, die sich gegenseitig dafür halten).

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Argus 7. April 2009 um 18:19

Die Sätze von Jochen Stahnke \“Die Bloggerrepublik kreist weiter um den eigenen Bauchnabel und gefällt sich dabei, ihn für die Öffentlichkeit zu halten.\“ und \“Die Konferenz wirkt vielerorts wie ein selbstreferentielles Sich-Vergewissern der eigenen Spezies, die merkt, dass sie real existiert – oder auch nicht.\“ fassen in wenigen Worten zutreffend alles zusammen, was zu den Kommerz-Bloggern und ihren abstrusen Kongressen zu sagen ist.

Jochen Stahnke hat meiner Ansicht nach sehr genau aufgeschrieben, was ein nicht blogvernarrter Mitmensch auf der Bloggerkonferenz wahrnimmt.

Und die nicht blogvernarrten Mitmenschen, also jene, die entweder gar nicht wissen, was ein Blog ist, aber auch jene, die vielleicht sogar selbst ein Blog schreiben, es aber nicht für den Mittelpunkt des Universums halten – diese Mitmenschen sind in der absoluten, gewaltigen Überzahl.

Gehen Sie doch mal raus ins pralle Leben, Herr Knüwer, abseits von Nerd-Kreisen, und fragen Sie die Passanten mal:
Was halten Sie von Blogs und von der Bloggerkonferenz Re:publica?
Sie werden größtenteils fragende Blicke ernten.

Blogs haben Potenzial, ja. Als Internet-Tagebücher, so wie zu Anfang. So wie damals, bevor die Kommerz-Blogger diesen (fast) einzigen kommerz- und werbefreien Raum im Internet kaputtgemacht haben.

Nichts würde mich, was Blogs betrifft, mehr freuen, als wenn der Zwang der Verhältnisse wieder dahin zurückführen würde.

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jo 7. April 2009 um 21:56

@argus: Wie groß war denn der Anteil der \“Kommerz-Blogger\“ auf der re:publica, hmm?

Ach, es ging dort größtenteils um vollkommen nicht-kommerzielle Themen? Was von den üblichen Verdächtigen ja massiv kritisiert wird: Zu wenig Business, zu wenig \“Exzellenz\“, zu viel Babykotze …

Also, was nu?

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jo 7. April 2009 um 21:58

[Achso, vergessen, sorry: Ich blogge für die FAS auf \“totem Holz\“.]

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Moritz 7. April 2009 um 23:06

Ach ja, wenn ich das alles lese, könnte ich fast glauben, es sei wieder 1995 und ich wieder 18. Aber leider spiegelt mein Monitor und nein, ich bin wohl leider nicht wieder 18.

Ganz ehrlich, \“es tut sich was, irgendwas großes\“, \“mein Gott, ist das spannend\“, \“das Internet verändert die Welt\“ – das haben wir damals auch gedacht. Und guck: Es hat sogar gestimmt. Aber ganz anders, als wir dachten.

Es wäre schön, wenn die Freunde der neuen Möglichkeiten etwas weniger über eben die Möglichkeiten reden und stattdessen etwas mehr damit anfangen würden als Herumzuspielen und sich selbst total spannend und super wichtig zu finden.

Am Ende ist es doch ganz einfach: Relevant und spannend ist immer der Inhalt und nie das Medium. Alles andere ist – in der Tat – WDR Computerclub.

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Till 7. April 2009 um 23:32

Aber sonst hast du alle Murmeln beieinander? Was soll denn das hirnrissige Auf-die-Goldwaage-legen? Peinlicher ist kleingeistiger Kadaverkorpsgeist selten formuliert worden:
> Dass die Re-Publica kein Blog-Kongress ist,
> sondern ein Kongress aus der Blog-Szene, der
> sich mit Social Media befasst – egal.
Egal ist, was du Yps-Spezialagent über den Könner Stahnke hier absonderst. Der Typ hat mehr Talent im Ohrläppchen als du im gesamten vorderen Hirnjammerlappen.

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ring2 8. April 2009 um 11:32

@tknuewer et al – die politische Blogosphäre ist ziemlich lebendig, allerdings imho vor allem in theoretischen Diskussionen und Auseinandersetzungen der politischen Ränder verstrickt. In einem Gruppennblog dazu (http://shiftingreality.wordpress.com/) habe ich schnell gemerkt, dass mir oft der theoretische Unterbau fehlt, um die Diskussionstiefe mithalten zu können.

Vielleicht ist das ja ein Phänomen von sozialer Kommunikation allgemein (bei denen Blogs eine Spielart ist), dass sich eben Spezial-Diskussionen entwickeln, die automatisch einen Zirkel um die Teilnehmer ziehen, der von punktuell Interessierten schwer zu verstehen ist.

Hier liegt doch aber gerade die Chance Gelegenheit für Journalisten – wie auch hier schon sehr oft beschrieben – zu bridge-bloggern zu werden und das diskutierte in die allgemeine gesellschaftliche Debatte zu heben.

Wenn mich meine Wahrnehmung nicht täuscht, dann klappt das übrigens bei liberalen Blogs mit bspw. DIE WELT schon ganz gut – kann aber auch mein Echochamber-Effekt sein, dass ich das so wahrnehme 😉

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Malte 8. April 2009 um 13:25

@Thomas
Aber ist denn nicht zu hoffen, dass es auf einem Medizinerkongress nicht nur darum geht, einander auf die Schulter zu klopfen?
Und was die Professionalität angeht; das war eben der Tenor in vielen Tweets und Blogposts.
Ich war ja nicht da.

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Argus 8. April 2009 um 13:45

@ Jo: Die republica ist doch vom obersten Kommerzblogger Häusler organisiert worden, oder irre mich da? Glauben Sie denn ernsthaft, dass dieser Herr Häusler irgendetwas tut, was NICHT einen zumindest kommerziellen Hintergedanken hat? Und wenn es nur Werbung in eigener Sache ist …

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Thomas Knüwer 8. April 2009 um 13:49

@Malte: Es wurde keineswegs nur auf die Schulter geklopft – das war die Re-Publica 07. Ehrlich gesagt waren die Diskussionen angeregter als auf den Fachkongressen der Lebensmittelbranche, die ich früher mal betreut habe.

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Till 8. April 2009 um 19:25

@Thomas Knüwer:
Aber sonst gehts dir gut?? Wo waren denn die Kritiker auf den Podien (bis auf diesen Radio-Fritz-Heini)? Es zeugt von Unsouveränität zum Quadrat, wenn man Kritik aus dem Mainstream a priori abblockt (sic). Hätte Haeusler nur ein wenig Größe besessen, dann hätte er schon vor einem Jahr bei Uli Jörges angefragt für ein Impulsreferat und eine Panelteilnahme. Das hätte die ver&%§$te Mischpoke aushalten müssen. Das Problem: Haeusler hat total das Maß verloren, lobt sich im Spreeblick-Nachklapp eine Spur zu viel. Desweiteren fordert er an gleicher Stelle indirekt ein Geschäftsführergehalt für sich. Andernfalls müsse er den Laden outsourcen. Tja, wenn der küstlerische Leiter des Moers-Festivals, Reiner Michalke, 80 Riesen im Jahr (für sich) bekommt, dann ist klar, dass Dödel wie Johnny Controlletti glauben, dasselbe verlangen zu dürfen. Mit dem Unterschied: In Moers wird Kunst (Jazz/Aktuelle Musik) aufgeführt, in Berlin eine Branchenzusammenkunft, die an die Düsseldorfer Fachmesse des Friseurhandwerks,\“Top Hair\“, erinnert.

Antworten

Valmont 9. April 2009 um 18:52

Malte kommentiert:
@Thomas
\“Aber ist denn nicht zu hoffen, dass es auf einem Medizinerkongress nicht nur darum geht, einander auf die Schulter zu klopfen?\“

Sie haben nicht völlig Unrecht. Aber…
Doppelte Verneinung ist grammatisch gesehen nicht inkorrekt, aber sprachlich nichtsdestotrotz keine Nicht-Katastrophe. Der Sprachstil hat sich also mal wieder in den Keller verzogen und weint nicht gerade freudig vor sich hin.
Es bleibt daher nicht zu hoffen, dass Sie es beim nächsten Mal an keiner Vermeidung derartiger Sätze nicht fehlenlassen werden, da dies ansonsten die Leserschaft dieses Blogs in keinster Weise zu einem zweifelsfreien Verstehen hinführen wird.

Haben Sie mich verstanden, Malte? Over and out. 😉

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Frank Rennemann 10. April 2009 um 13:19

es ist eben für \“etablierte\“ Journalisten viel einfacher und leichter, sich mit einer fertigen Meinung in eine Veranstaltung wie die Re:Publica zu setzen , als sich inhaltlich damit auseinander zu setzen(Ausnahmen bestätigen die Regel).
Immerhin beweist Herr Stahnke Mut, unter dieses krude Geschreibsel seinen Namen zu setzen. Und er beweist einmal mehr, dass es Journalisten gibt, die sich vom Thema Blog bedroht fühlen.
Schade, Herr Stahnke, nix verstanden, aber unterschwellig ihre Existenzängste transportiert.
Danke, Herr Knüwer für die detaillierte Analyse

Antworten

MartinS 13. April 2009 um 10:56

Hat eigentlich \“DIE ZEIT\“ etwas über die Republica geschrieben? Dort pflegt man ja neue Büros, neue Ressorts und ist künftig total Online und Digital. Mel sehen, ob es sich auch wirklich in Internetkompetenz auswirken wird…

Antworten

Re-Publica 11 – vorempfunden 13. April 2011 um 7:53

[…] Andere aktuelle Themen lassen sich nicht in solch plakative Forderungen verwandeln. Also spielt beispielsweise die Katastrophe in Fukushima keine Rolle während der drei Tage. […]

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