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Heute erreicht der Wirbel um neue Geschäftsbedingungen bei Facebook die klassischen Medien. Der Marktführer unter den Social Networks wollte seine Geschäftsbedingungen ändern und die Rechte von Inhalten für sich deklarieren, deren Einsteller das Netzwerk verlassen. Inzwischen hat Facebook diese Änderung zurückgenommen.

Trotzdem ist der Fall höchst spannend. Weil er einerseits Fragen aufwirft, auf die nicht so schnell eine Antwort zu finden ist. Zum anderen, weil Facebook demonstriert, wie Unternehmen mit eigenen Fehlern umgehen sollten. Gerade musste ich mir von einem Kollegen gefallen lassen, ich sei ja ein Zuckerberg-Schönredner. Weil ich zum Hin und Her um die neuen AGB meinte, dies sei wieder einmal eine Demonstration dafür, wie Unternehmen im Jahr 2009 kommunizieren sollten.

Noch einmal der Hintergrund. Schon am 4.Februar hatte Facebook per Blog-Eintrag angekündigt, seine Nutzungsbedingungen zu ändern, am 9. Februar fiel es Another Blogger auf, wo ein Haken liegt. Aber erst sechs Tage danach, ging es richtig los, dank des (hier übrigens mal zur Lektüre empfohlenen) Consumerist.

Die wichtigste Änderung:
„You may remove your User Content from the Site at any time. If you choose to remove your User Content, the license granted above will automatically expire, however you acknowledge that the Company may retain archived copies of your User Content.“

Eine ähnliche Formulierung findet sich übrigens auch in den AGB von StudiVZ:
„Mit der erfolgreichen Exmatrikulation eines Nutzers wird der Account des Nutzers und alle personenbezogenen Daten des Nutzers dauerhaft gelöscht. Diejenigen Beiträge, die der Nutzer vor der Exmatrikulation über das studiVZ-Netzwerk öffentlich zugänglich gemacht hat (z.B. auf der Pinwand eines anderen Nutzers oder innerhalb einer Gruppe), bleiben nach der erfolgten Deaktivierung weiterhin abrufbar – dies jedoch ohne Angabe des Namens und mit dem Hinweis, dass der Beitrag von einem inzwischen gelöschten Nutzer stammt.“

Facebook reagierte so, wie das schon zweimal der Fall war, als AGB-Änderungen auf Widerstand trafen. Zunächst versuchte Mark Zuckerberg per Blog-Eintrag die Wogen zu glätten. Und wenn als das nichts half, wurde die Änderung zurückgenommen und wird nun überarbeitet – und das per Diskussionsgruppe unter Beteiligung der Kunden.

Das ist Krisen-PR in Musterbeispielform. Ein Unternehmen macht aus Sicht seiner Kunden einen Fehler. Es reagiert auf Kritik mit Erklärung, reicht diese nicht aus, richtet es sich nach den Wünschen der Kunden (oder tut zumindest recht geschickt so). Man würde sich wünschen, Konzerne wie die Telekom würden ebenso agieren. Dabei ist der Ausgangspunkt der Diskussion nicht verwerflich: Unternehmen dürfen Fehler machen. Aber: Sie müssen bereit sein, diese Fehler einzusehen.

Die andere Ebene des Falls ist schwieriger. Denn Zuckerberg begründete die Änderung der AGB so:
„When a person shares something like a message with a friend, two copies of that information are created—one in the person’s sent messages box and the other in their friend’s inbox. Even if the person deactivates their account, their friend still has a copy of that message. We think this is the right way for Facebook to work, and it is consistent with how other services like email work.“

Mit Social Networks wird vieles einfacher – aber vieles auch komplizierter. Wir müssen zum Beispiel lernen, vieles zu überdenken. Wenn ich eine E-Mail an einen Geschäftskontakt verschicke und danach bei meinem Arbeitgeber kündige, dann werden zwar die Daten auf Seiten meines Brötchengebers gelöscht, die E-Mail in seinem Posteingang aber bleibt erhalten. Und das ist ja auch eigentlich nicht so dumm.

Schicke ich eine solche Nachricht über ein Social Network, gibt es einen Unterschied: Die grundsätzliche Plattform bleibt die gleiche. Deshalb könnte man argumentieren, eine solche Nachricht müsste gelöscht werden. Denn wo ist der Unterschied zwischen ihr und einem nur für Freunde sichtbaren Kommentar? Andererseits wäre es für dem Empfänger natürlich ärgerlich, wenn eine Nachrichten, deren Inhalt für ihn vielleicht wichtig ist, einfach so verschwindet..

Ebenfalls muss die Frage erlaubt sein, wie es mit Diskussionsbeiträgen aussieht. Eine Diskussionskette wird möglicherweise zerrissen, wenn ein einzelner Beitrag gelöscht wird. Das ist aus Sicht der Kunden oft nicht wünschenswert. Ist es also besser, den Beitrag stehen zu lassen, den Hinweis auf den Autor aber zu löschen (so wie es StudiVZ tut)? Sollte es eine Funktion geben, mit der beim Austritt aus dem Network für jedes eingestellte Datenfitzelchen entschieden wird, ob es stehenbleibt?

Die Antworten sind nicht so einfach, wie sie scheinen. Auch, weil wir uns einige Fragen jetzt erst stellen, obwohl wir das längst hätten tun müssen. Beispiel Leserbriefe in einer Zeitung: Wer sie schreibt, überträgt Rechte an den Verlag. Es gibt sogar Medienhäuser, die diese Briefe über ihre Datenbanken weitervermarkten.

Unsere Welt wird nicht einfacher, wirklich nicht. Und das Internet ist noch immer eine Art Wilder Westen, das zeigt der Fall Facebook. Im konkreten Fall stimme ich mit „Wall Street Journal“-Kollegin Kara Swisher überein:
„My guess: It was more likely a case of lawyers gone wild.“

Zuckerberg schreibt nun im Firmen-Blog:
„Our next version will be a substantial revision from where we are now. It will reflect the principles I described yesterday around how people share and control their information, and it will be written clearly in language everyone can understand.“

AGB, die jeder verstehen kann? Das wäre mal eine echte Innovation.


Kommentare


satyasingh 18. Februar 2009 um 14:14

Der erste Satz hat es in sich.

Zum einen lese ich daraus, daß die klassischen Medien langsam(er) sind. Zum anderen heissen sie jetzt \“klassisch\“. Hat was vom Stil einer Kutschfahrt im 21. Jh.

Die klassischen Medien werden tatsächlich mehr zur Stilfrage. Wenns schnell gehen muß und es echte Neuigkeichten (keine Nach-richten) sind, bediene ich mich des Webs mit seinen Plattformen. In der Papierzeitung kann ich nach-lesen, was gestern war.

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Matthias Sch. 18. Februar 2009 um 14:22

In der Sache: In der Tat ein spannendes Thema. Ich hatte mich bei einem anderen Social Network mal nach Ablauf meiner kostenpflichtigen Mitgliedschaft (mein Profil hatte ich nicht gelöscht) sehr geärgert, dass damit auch zugleich meine Korrespondenz weg war.

Zum Thema Krisen-PR: Ich gebe dir recht, das ist tatsächlich ein vorbildlicher Weg. Bin aber gespannt, wie du es bewertest, wenn das hier am Ende rauskommt:

\“(oder tut zumindest recht geschickt so).\“

;-))

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Lukas 18. Februar 2009 um 14:30

Das Problem der meisten AGBs ist ja wirklich, dass die von Juristen geschrieben werden (damit sie möglichst wasserdicht sind). In der Regel verstehen beide Vertragspartner (also Community und Kunde) nicht so ganz, worum es da eigentlich geht, und die Kunden reagieren mitunter schon mal etwas über-sensibel (aber Interesse an den eigenen Inhalten ist ja gut).

Und rein juristisch ist das ja eine erhebliche Grauzone: Was macht man z.B. bei einem Blog, wenn einer der Kommentatoren beschließt, dass er alle seine Kommentare gelöscht haben möchte? Da gibt\’s meistens gar keine AGBs und rein urheberrechtlich hätte der Kommentator vermutlich auch noch jedes Recht dazu.

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Karina 18. Februar 2009 um 16:10

Mir stellt sich eine andere Frage: Was ist die Alternative dazu? Dass Beiträge gelöscht werden, kann interessante Diskussions-Beiträge völlig zerreißen. Und wie wird dann damit umgegangen, wenn ein anderer User in einem Folgebeitrag den Ursprungsbeitrag zitiert hat? Löschen aller Einträge des Users ist aus meiner Sicht keine Option.Gleichzeitig muss (nach meinem Empfinden) aber jedem User die Möglichkeit gegeben werden, sich aus einer Community komplett zu verabschieden/sein Profil zu löschen.Und letztlich hat der User die Wahl: Ich kenne Facebook nicht, aber bei den gängigen Pinnwänden, Foren u.ä. können gemachte Einträge später geändert oder gelöscht werden. Hat ein User als Bedenken, die Rechte an bestimmten Einträgen oder Beiträgen an Facebook zu übertragen, kann er diese vor dem Löschen seines Profils entfernen. Gerade bei sehr aktiven Nutzern eine mühselige Arbeit, aber letztlich ist man sich dessen vorher bewusst.

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Ugugu 18. Februar 2009 um 16:34

Die Privacy-Einstellungen an sich sind ja bei Facebook schon eine halbe Wissenschaft. Aber wenn das, was das Datenwachschutzblog heute schreibt, stimmt, dann rollt da möglicherweise gleich die nächste Skandal-Welle auf Facebook zu:

http://www.blog.datenwachschutz.de/2009/02/facebooks-super-gau-sensible-serverdaten-online-verfuegbar/

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Tapio Liller 18. Februar 2009 um 16:46

Die Kommunikationspolitik von Facebook war bis zum ersten Blog-Statement von Zuckerberg Montag Nacht (unserer Zeit) alles andere als vorbildlich. Schließlich ist Facebook beileibe kein \“Old Economy\“-Unternehmen, bei dem sich Konfliktscheue im Umgang mit den eigenen Kunden noch durch jahrzehntelange Gewohnheit erklären ließe. Nein, Facebook schreibt sich auf die Fahne Menschen und das was sie teilen möchten miteinander zu verbinden. Da kann man von vorneherein mehr Transparenz erwarten. (Dazu mein Post vom Montag http://snurl.com/facebooktos).

Die Reaktion heute hingegen ist in der Tat aus PR-Sicht ein gutes Signal. Die klare Rücknahme des Vorhabens und die gleichzeitige Öffnung zu den Mitgliedern durch aktives Zuhören und Nachfragen ist angesichts der Komplexität des Themas mutig, wenngleich auch unvermeidlich (Weiterführend: http://snurl.com/facebooktos2).

Da sich Facebook aber in den vergangenen 18 Monaten nicht nur einmal kommunikativ verspekuliert hat, haben wir besser ein wachsames Auge darauf, ob sie auch tatsächlich liefern. Wenn die \“klassischen Medien\“ da (mit diesmal erstaunlich viel Nachlauf) mithelfen, ist das sehr hilfreich.

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Thomas B. 19. Februar 2009 um 21:17

Ich habe das Problem bei/mit Facebook mehr so verstanden, dass möglicherweise die Daten/Profile nach Löschung trotzdem vermarktet bzw. für Marktforschung o.ä. verkauft werden hätten können – denn Facebook fehlt nach wie vor ein wirksamens Konzept der Monetarisierung.

Kommunikation zu anonymisieren halte ich aus vielen schon oben genannten G

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Thomas B. 19. Februar 2009 um 21:19

Gründen für nicht verwerflich, wollte ich noch schreiben…

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Rene O 20. Februar 2009 um 9:03

Ich kann das mit dem Datenvermarkten ehrlich gesagt nicht mehr hören. Wer verkauft denn Daten weiter? Doch nicht die Web-Firmen, sondern Telekom, Post und Verlage. Und gerade deren Journalisten schreiben dann über Firmen wie Facebook, sie könnten ja Daten verkaufen. Die sollen doch mal in ihrem eigenen Saustall recherchieren.

Für Web-Firmen lohnt es sich nicht, ihre Geschäftsgrundlage für ide paar Mücken zu riskieren, die es für Datensätze gibt. Das ist nämlich alles andere als ein tolles Geschäft.

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Maex 21. Februar 2009 um 18:03

Ja ja … die sind alle sooo toll.
Erst mal versuchen was man so mitnehmen kann und dann notfalls ein bisschen zurueckstecken.
Genauso wie unsere Politiker, die sich erst mal alles rausnehmen und dann aussitzen, dass sie vom Buerger und vom BVerfG in die Schranken gewiesen werden. Wieso wird man als Politiker fuer offensichtliche Verletzungen des Grundgesetzes nicht zur Verantwortung gezogen?

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Max Mustermann 23. Februar 2009 um 17:32

\“Wenn ich eine E-Mail an einen Geschäftskontakt verschicke und danach bei meinem Arbeitgeber kündige, dann werden zwar die Daten auf Seiten meines Brötchengebers gelöscht\“

Das sollte er besser nicht tun. 10 Jahre Aufbewahrungsfrist.

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Datenschutz-Plug-In für Firefox liest das Kleingedruckte : netzpolitik.org 7. Oktober 2010 um 13:29

[…] letzten Jahr gab es beispielsweise viel Wirbel um die Änderungen der AGB bei Facebook, als sich die die Plattform unbegrenzte Nutzung der Inhalte alle Facebook-Nutzer sichern weollte. […]

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