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Vor einiger Zeit schritt Sven Gösmann, Chefredakteur der „Rheinischen Post“ zur Selbstgeißelung. Auf dem Kongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) klagte er, in Deutschland gebe es zu viele schlechte Zeitungen. Und: „Die Leser haben häufig nicht mehr das Gefühl, dass wir ihre Zeitung sind“.

Schon damals wunderte ich mich darüber, dass Gösmann ob dieses Wissens und dieser Meinung (die ich teile) nicht hingeht und seine eigene Zeitung endlich zu einer guten macht. Oder wenigstens zu einer weniger schlechten.

Die Erklärung könnte nun ein Interview Oliver Eckert, Geschäftsführer des Online-Auftritts der „Rheinischen Post“, beim Mediendienst Meedia liefern. Sie lautet: Die Verantwortlichen der „RP“ haben einfach vollkommen den Bezug zur Realität verloren. Was macht für Sie, liebe Leser, ein Premium-Angebot aus? Also ein Premium-Nachrichtenangebot im Internet, jetzt.

Die Frage ist berechtigt, denn Premium beinhaltet ja die wahrgenommene Qualität und Qualität definiert jeder für sich anders. Dem einen geht es vielleicht um Korrektheit, dem anderen eher um Schnelligkeit, der nächste möchte unterhalten werden.

Insofern ist auch das Interview von Oliver Eckert bei Meedia irgendwie interpretationsfähig. Dazu muss man vorweg wissen, dass Stefan Niggemeier sich in den vergangenen Monaten aufs Heftigste auf RP-Online eingeschossen hat.

Und das mit Recht. RP-Online schafft es nicht mal, eigene Berichte über die Spiele der lokalen Sportteams einigermaßen zeitnah ins Netz zu heben. Ein Artikel ohne Rechtschreib- oder Grammatikfehler bedeutet fast immer, dass es sich um eine Agenturmeldung handelt. In bizarrer Obsession werden über Fernsehsendungen wie „Wetten, dass“ ganze Artikelserien verfasst, die sich in weiten Teilen um die Ausschnittiefe der an der Sendung beteiligten Damen und ähnlich gelagerte Themen drehen.

Der Fetisch von RP-Online aber ist die Galerie. Diesem wird so sehr gehuldigt, dass selbst anonyme Leserkommentare nicht auf einen Blick zu bekommen sind.

„Klickhure“ nannte man so etwas bisher. Doch RP-Online hat diese Sucht nach billigen Massenklicks auf ein Niveau gehoben, dass der Begriff Hure viel zu fein klingen würde.

Für Eckert alles kein Problem. Auf die Frage, wie RP-Online seine Klicks generiere antwortet er: „Mit journalistischer Qualität.“ Womit wir bei der Anfangsfrage wären. Was ist Qualität?

Die versteht wohl jeder anders. Ich zum Beispiel kann bei RP-Online journalistische Qualität, wie ich sie definiere, nur in spurenelementischen Größen ausmachen.

Aber so ist das halt mit Qualität und Premium. Eckert übrigens bezeichnet mit letzterem Wort sein Haus deshalb, weil es von einem Premium-Vermarkter vermarktet wird:
„…verfolgen wir nicht nur auf der Redaktions-, sondern auch auf der Vermarktungsseite eine Qualitätsstrategie. Unser Portal wird durch den Quality Channel gemeinsam mit Spiegel Online, Sueddeutsche.de und Kicker Online vermarktet. Wir befinden uns im Premium-Bereich.“

Erstaunlich dabei, dass bei RP-Online überall Eigen-Werbebanner auftauchen und außerdem reichlich Google-Adsense-Anzeigen. Die gelten in Vermarkterkreisen nicht gerade als Ausweis von Premium – sondern dem ganzen Gegenteil.


Kommentare


HJG 14. November 2008 um 12:10

Wussten Sie schon, dass die RP auf dem Hamburger Fischmarkt aus der Liste der zugelassenen Verpackungsmaterialien gestrichen wurde? Grund: Qualitätsprobleme.

Antworten

Die Stillosigkeit der 28. September 2012 um 14:23

[…] Jahr 2008 sagte “RP”-Chefredakteur Sven Gössmann auf der Verbandstagung des BDZV: “Die Leser haben häufig nicht mehr das Gefühl, dass wir ihre Zeitung sind.” Jene […]

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