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Haben Sie schon mal ein Video auf Youtube angesehen? Dann bekommt der Medienkonzern Viacom Ihre Daten. Haben Sie gar schon mal ein Video bei Youtube hochgeladen? Dann bekommt Viacom sogar das Video.

Was ein amerikanischer Richter gerade angeordnet hat ist ebenso monströs und undemokratisch wie die jüngsten Umtriebe der EU. Man liest es und ist entsetzt. Viacom prügelt sich derzeit mit Youtube um die Videos, die angeblich unter Copyright stehen. Dieses angeblich füge ich deshalb hinzu, weil bisher kein Rechteinhaber ernsthaft versucht hat, seine Rechte detailliert zu sichern – meist wurde mit der Kalaschnikow alles nieder gemäht, was irgendwie nach Rechteverstoß aussah. Wie erinnern uns da an die Deutsche Fußball-Liga, der schon das Wort „Fußball“ für rechtliche Schritte genügte.

Im Prozess zwischen Viacom und Youtube hat ein Richter nun eine Entscheidung von unglaublicher Spannweite getroffen: Youtube muss sämtliche Nutzerdaten der Videozuschauer an Viacom übergeben – und sämtliche Videos.

Macht dies Schule, sind keine Mediennutzerdaten mehr sicher. Dann kann ein Gericht anordnen einfach mal alle Abo-Adressen an Unternehmen rüberzureichen.

Denn es geht hier ja nicht um die Daten von Menschen, die gegen Rechte verstoßen haben. Nein, es geht um die Frage, ob User Generated Content bei Youtube mehr Zuschauer hat, als die eingestellten Coyright-verletzenden Filme. Und dass auf privat gestellte Videos auch noch mit übergeben werden, somit also eigentlich ja das Copyright der Nutzer zumindest angekratzt wird, setzt dem ganzen die Krone auf.

Die undemokratischen Widerlichkeiten nehmen dies- wie jenseits des Atlantiks zu – siehe das Thema EU. Der Kampf um die Freiheit in Osteuropa ist 20 Jahre her. So mancher Entscheider, sogar jene, die hautnah dabei waren, scheint diese Zeit vergessen zu haben. Denn ansonsten würde ihm vielleicht der Gedanke kommen, dass die Menschen wieder um ihre Freiheit kämpfen könnten. Friedlich oder weniger friedlich.


Kommentare


Dr. Azrael Tod 3. Juli 2008 um 12:25

Grauenvoller Gedanke! Schlimmer finde ich nur noch, dass 9/10 der Bevölkerung davon nichtmal etwas mitbekommen werden. -.-

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Martin SH 3. Juli 2008 um 13:10

Geschichte wiederholt sich eben doch. Wir sind nur noch einen halben Schritt vom Überwachungsstaat entfernt. Er wird kommen. Die Bürgerrechte werden nahezu täglich weiter eingeschränkt, die Umverteilung der gemeinsam erwirtschafteten Reichtümer von unten nach oben nimmt stetig zu. Die Medien (allen voran der Staatsfunk) zeichnen ein geschöntes Bild der wahren Verhältnisse .(Die Helden von heute sind z.B. Fußballer.Opium für das Volk, wie uns die EM lehrte) Das 4.Reich heißt dann Europa und wird von Brüssel aus beherrscht.
Adolf Hitler hätte seine Freude.

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René 3. Juli 2008 um 13:12

Das mit den privaten Videos stimmt ja so nicht:

\“Viacom also requested […] copies of all videos marked private.

Those requests were denied in whole.\“

Trotzdem schlimm genug, das alles.

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Christian 3. Juli 2008 um 14:52

So langsam hört doch der \“Spass Internet\“ wirklich auf.. Da vergeht einem doch alles. Ich als Anbieter hätte absolut verloren, wenn ich sowas durchziehen würde. Ich als User habe verloren, weil ich scheinbar nichts gegen tun kann, dass das mit mir gemacht wird. Eine Unverschämtheit!

Ich hoffe stark, dass da noch einige Datenschützer aus ihren Löchern gekrochen kommen und das noch irgendwie verhindern können.

@ René: Ich verstehe das mit dem \“marked private\“ eher so, dass es sich um Videos handelt, die nur mir und meinen Freunden zur Verfügung stehen, nicht aber private Videos, die ich über YouTube veröffentlicht habe, sodass sie jeder sehen kann.

Gruß Christian

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Torsten 3. Juli 2008 um 15:46

Vertipper: s/Viakom/Viacom

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ajku 3. Juli 2008 um 16:02

@ Dr. Azrael Tod: Da hat sich eine Ungenauigkeit eingeschlichen. Es sind nicht 9/10, sondern 9/11.

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Lupus 3. Juli 2008 um 16:51

Da würde ich doch mal vorschlagen, wie schauen nu alle wie die bekloppten belanglose Videos bei Youtube und laden jeder min. 10 Filme a 10 MB hoch – wenn genug mitmachen platzt Viacom/Youtube – haha….

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Thomas Knüwer 3. Juli 2008 um 17:38

@Torsten & René: Danke für die Hinweise.

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John Dean 3. Juli 2008 um 18:22

Anne Clark sagte 1993 zu diesem Thema: \“Law is an anagram of wealth\“.

Okay, das ist eine Schreckensvision eines dystopische Züge annehmenden Wirtschaftsdiktats, aber dieser Richter Stanton meint tatsächlich, dass der Schutz der Privatsphäre von Nutzern nicht erforderlich sei und die Möglichkeit des Missbrauchs dieser privaten Nutzerdaten durch den Konzern sei ja \“spekulativ\“. Zudem sichert Viacom zu, die Daten lediglich elektronisch auszuwerten bzw. we \“can handle it electronically.\“

Weil es also Viacom keine bösen Absichten verfolgt und diese Daten zur Beweissicherung und Schadensbemessung innerhalb des Verfahrens benötigt werden, zwingt Richter Stanton Youtube/Google, dass folgende Daten an Viacom übergeben werden:

1. \“all removed videos\“

2. \“all data from the logging database concerning each time a youtube video has been viewed on the youtube website or through embedding on a third party webside\“

3. \“the schema for the youtube content databaae\“

4. Es gibt hier jedoch eine Einschränkung: Videos, die von den Youtube-Nutzern speziell als \“privat\“ gekennzeichnet wurden und nur einem eingeschränkten Betrachterkreis zugänglich waren, sind nicht an Viacom zu übergeben, weil dies – so Richter Stanton, gegen den Electronic Communications Privacy Act verstoße. Diese Einschränkung beinhaltet jedoch nicht die \“non-content data\“ dieser Videos. Anders gesagt, Viacom erhält auch alle statistischen Daten zu diesen privaten Videos, inklusive z.B. der aufrufenden IP-Nummern. Dies sei notwendig, denn auch diese privaten Videos könnten Urheberrechtsverletzungen beinhalten.

Dem Richter ist klar, dass es sich hierbei insgesamt um viele Millionen Videos handelt – nämlich um ausnahmslos alle ehemals öffentlich zugänglichen Videos, die nicht mehr im aktuellen Bestand von Youtube sind, aus welchen Gründen auch immer.

Viacom darf das. Die Begründung des Richters lautet:

\“direct access to the removed videos is essential to
identify which (if any) infringe their alleged copyrights.\“

Ein Vergleich:

Sollte ein kleiner Hacker z.B. auf die Seiten von Viacom eindringen, und sich auch nur ein tausendstel derartiger Daten verschaffen, so wird er – falls er erwischt wird – eine langjährige Haftstrafe zu verbüßen haben, u.a. wegen Computerspionage.

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Jarald 3. Juli 2008 um 18:41

Don\’t be evil – startet blog-Einträge
\“HÖRT AUF MTV ZU SEHEN\“ etc.
Das hilft Viacom mächtig 😉

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kidffm 3. Juli 2008 um 19:35

der eigentliche Fehler an der Geschichte liegt bei Youtube. Denn es können nur Daten weitergegeben werden, die auch existieren.

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John Dean 3. Juli 2008 um 20:23

Stimmt, kdffm. Mit einer datenlosen Webseite würde Youtube jeglichen Fehler vermeiden – das könnte die Lösung sein. Vielleicht könnte man für diesen Ansatz noch einen kleinen Kampagnen-Banner entwerfen: \“datenlose Webseite\“.

(Rubrik: Zukunftsvisionen)

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YouTube vs Viacom – hat das ein Nachspiel? » Sajonara.de – Internetmagazin 19. Februar 2014 um 12:00

[…] Thomas Knüwer fragt “Haben Sie schon mal ein Video auf Youtube angesehen?” Ja, sage ich. […]

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