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Haben Sie den Film „21“ gesehen? In dem wird die wahre Geschichte einer Gruppe von Studenten erzählt, die in Las Vegas Karten zählen. Diese Technik ermöglicht es beim Blackjack richtig abzuräumen. Eigentlich ist sie nicht illegal, doch gehen Casinos in „21“ brutalst gegen Kartenzähler vor.

Dies erwähne ich, weil etwas in der Art derzeit auch im Internet abläuft. Es geht um die Suchmaschinenoptimierung und das Suchmaschinenmarketing der klassischen Medien. Und auch hier gilt: Zwischen Manipulation und Optimierung liegt häufig nur der eigene Standpunkt. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat sich bisher in Sachen Internet-Kompetenz als äußerst ausbaufähig präsentiert. Höflich gesprochen. Deshalb fürchte ich, dass ihr Online-Chef Hans-Jürgen Jakobs gerade gewaltig missverstanden wird. Im Gespräch mit „Horizont“ hat er eine Art Standesregel für den Gebrauch von Suchmaschinenoptimierung bei Nachrichten-Seiten gefordert:

„Ohne Welt Online weiter explizit zu nennen, fordert Jakobs „eine Konvention über statthafte und unstatthafte Maßnahmen“ beim SEO. Zuvor sollten „alle Tricks, gegebenenfalls auch Manipulationen, öffentlich gemacht werden“, denn bei „exzessiver SEO“ handele es sich um „journalistische Wettbewerbsverzerrung“.“

Nun möchte ich den Kollegen Jakobs nicht für völlig unwissend halten müssen. Aber allein seine Sprachwahl ist ein wenig kryptisch. Manipulationen macht niemand freiwillig öffentlich – damit fängt es ja schon an. Außerdem ahne ich, dass er Suchmachinenoptimierung (SEO), -manipulation und -marketing munter vermischt.

Auch ich habe ja ein problematisches Verhältnis zum Thema SEO. Es gibt Maßnahmen, die absolut statthaft sind. Denn Suchmaschinen sind Maschinen und ihnen dabei zu helfen, die eigene Seite sinnvoll einzusortieren ist absolut in Ordnung. Schon hier hat die „Süddeutsche“ anscheinend massiven Verbesserungsbedarf, wie Mein Gott und meine Welt aufzeigt.

Dann aber gibt es das schmutzigere Geschäft der Manipulation. So bot jüngst das französische Preisvergleichsportal Twenga Bloggern an, „ein oder mehrere Links auf verschiedenen Unterseiten Ihrer Webseite für eine Dauer von mindestens 6 Monaten zu kaufen. Unser Ziel ist es, die Platzierung unserer Seiten im Suchmaschinenindex von Google und Co. zu verbessern.“

Solch eine Art der Suchmaschinenmanipulation ist mir zuwider, denn sie versucht ein System auszuhebeln, das dem Rest der Menschheit hilft.

Schließlich aber gibt es das Suchmaschinenmarketing, ich nenne es mal das schmutzige, kleine Geheimnis der Online-Redaktionen. Und hier würde ich mit Jakobs auf einer Linie liegen, so er dies gemeint hat: Nachrichten-Seiten sollten im Interesse ihrer Werbekunden diese Aktivitäten offen legen.

Ein kleiner Exkurs für die nicht-medialen Leser (so die nicht längst aus diesem Artikel ausgestiegen sind). Praktisch alle Online-Nachrichtenseiten der Republik kaufen Suchbegriffe bei Google. Die Rechnung dahinter ist eine schlichte: Ist die durchschnittliche Einnahme pro Nutzer höher als die Kosten für das Buchen eines Suchbegriffs bei Google, lohnt sich das Geschäft.

Kurzfristig, zumindest. Denn meist sind die Leser, die über diese Anzeigen auf die Seite kommen, wenig werthaltig. Sie kommen auf die Seite, sind meist enttäuscht über den Inhalt – und gehen wieder. Die Folge ist ein Absinken des Verhältnisses von Seitenabrufen pro Besucher.

Der „Journalist“ beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe ebenfalls mit diesem Thema. Dort sagt Focus-Online-Chef Jochen Wegner: „Das Verhältnis von PIs zu Visits um 30 Prozent hoch- oder runterzufahren, ist kein Problem.“

Warum aber bringen die Leser, die über diese Anzeigen hereinkommen, so wenig Fleisch mit? Weil sie nicht das finden, was sie suchen. Ein Beispiel: Wer nach „Finanzkrise“ sucht, sieht unter anderem eine Anzeige des „Waz“-Online-Angebotes Der Westen. Text:
„Finanzkrise
Milliardenverlust bei der WestLB
Aktuelle Entwicklung & Kommentare!“

Wer dem Link folgt, dem stellt sich die unterste Zeile der Anzeige anders dar: „Aktuelle Entwicklung & Kommentare??????????????????????????“

Er sieht einen Artikel vom März, lieblos bebildert, ja, sogar mit einer Schlampen-Bildunterzeile: „Der Schriftzug „Börse“ auf der DAX-Tafel im Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt am Main, fotografiert am Mittwoch (20.02.2008) in Frankfurt am Main. Die Deutsche Börse AG hat 2007 neue Rekorde bei Umsatz und Gewinn verbucht. Sie profitierte dabei auch von der internationalen Finanzmarktkrise. Foto: Boris Roessler dpa/lhe +++(c) dpa – Bildfunk+++ „

Zu diesem Artikel gibt es 31 Kommentare, der letzte stammt aktuell (lustiges Wort in dem Zusammenhang) vom 22.3. In der rechten Spalte gibt es dazu die Arbeitsmarktgrafik aus NRW, die ungefähr so viel mit dem Thema zu tun hat wie die Deutsche Meisterschaft im Frauen-Unterwasserrugby mit dem heutigen EM-Spiel Deutschland – Österreich. Beides ist Sport. Irgendwie.

Im gleichen Artikel des „Journalist“ rechtfertigt Westen-Chef Katharina Borchert das Suchwort-Kaufen:

„Es sei richtig, dass zu bestimmten Themen, zu denen es auf dem Portal besonders reichhaltige redaktionelle Inhalte gebe, gelegentlich Keywords bei Google belegt werden. ,Das ist völlig marktüblich und wird von allen großen Redaktionen so gehandhabt.'“

Es ist also OK, wenn es alle machen? Nein, natürlich nicht. Es ist ein Stück Betrug am Anzeigenkunden, der mit Mindestreichweiten gelockt wird. Das Zukaufen von Besuchern über Google-Anzeigen entspricht einem alten Print-Vorgehen: dem Vertrieb von Bordexemplaren. Für diese zahlen die Fluggesellschaften symbolische Beiträge. Und entsprechend gibt es reichlich Leser, die die Blätter manchmal lesen, manchmal einfach durchblättern.

Und deshalb fände ich es korrekt, logisch und im Sinne eines sauberen Geschäfts, würden die Verlagsaktivitäten in Sachen Google Adsense genauso behandelt wie die Bordexemplare bei der Auflagenzählung: Sie sollten gesondert und deutlich sichtbar ausgewiesen werden.


Kommentare


ike 16. Juni 2008 um 18:22

Bravo! Mehr kann man dazu nicht sagen.
SEO ist in der Tat eine Frage des Standpunkts. Der Vergleich mit Bordexemplaren ist durchaus treffend. Daraus ergibt sich eine Folgerung: Wäre das nicht ein Fall für IVW?

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lsa 16. Juni 2008 um 19:41

seo ist etwas anderes als google adwords (\“kaufen\“ von suchbegriffen) und google adwords ist wiederum etwas anderes als google adsense!

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Ramiro 16. Juni 2008 um 21:03

Ist dann nicht jede Form von Werbung Betrug am Anzeigenkunden? Was spielt es für eine Rolle, ob die Anzeige auf einer Suchergebnisseite oder auf einer anderen Website angeklickt wurde? Wen betrügen eigentlich die Anzeigenkunden der Zeitungen?

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salongo 17. Juni 2008 um 0:09

Wie heisst es so schön. Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen. Und die Süddeutsche sitzt im Glashaus, weil sie zum Beispiel ihre Domain für SEO-Zwecke hergibt. Ein Beispiel, bei dem ein Kunde vom guten Ranking der Zeitung und ihrer redaktionellen Inhalte profitieren dürfte:
http://biallo.sueddeutsche.de/finanzen/Fonds_Zertifikate/neue_rubrik_fonds_zertifikate.php

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Thomas Knüwer 17. Juni 2008 um 8:21

@Isa: Sag ich doch…

@Salongo: Besten Dank für den Hinweis!

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Peter 17. Juni 2008 um 8:48

@ Thomas: Sagst du doch, aber sagst du falsch. Was die Zeitungen nutzen ist in diesem Fall Adwords und nicht Adsense, was sie in anderen Fällen nutzen.

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Weltenweiser 17. Juni 2008 um 9:11

Was mir auch hier wieder fehlt ist die Klarstellung, das bei SEO nicht alles erlaubt ist. Vielleicht, weil nur wenige Journalisten mit dem Thema SEO vertraut sind. Reden wir in Deutschland von SEO reden wir über Google. Google gibt klare Richtlinien vor, was im SEO-Bereich erlaubt ist und was nicht. Google straft bei Verstößen gegen die Richtlinien ab. Da wird abgewertet oder die Seite gleich aus dem Index genommen. Beispiel BMW oder die Trigami-Geschichte. Ein Ignorieren durch Google kann sich kein Unternehmen mit Internetrelevanz leisten. Durch die von Google geschaffene Anzeigemöglichkeit kontrolliert die Konkurrenz mit. Deshalb ist die Forderung von Herrn Jacobs so lächerlich.

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Thomas Knüwer 17. Juni 2008 um 9:28

@Peter: Ah! In dem Punkt hast Du Recht, wobei es ja zwei Seiten einer Medaille sind. Die Einnahmen generiert Adsense, die Ausgaben sind Adwords.

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*gelöscht* 17. Juni 2008 um 10:38

***Hier stand ein Kommentar, der nichts mit dem Thema zu tun hatte.***

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hadamsky 17. Juni 2008 um 12:12

@Thomas: Das Geld, das der Verleger für Adwords ausgibt, dürfte eher über die Vermarktung der eigenen Webseiten zurückfließen als über Adsense. Obwohl, naja, FTD, Welt und Süddeutsche scheinen ja auch an Adsense ihren Spaß zu haben.

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Johannes 18. Juni 2008 um 18:00

Zu dem Thema, das \“salongo\“ angesprochen hat, habe ich vor einigen Wochen schonmal was geschrieben: http://www.sistrix.de/news/730-anzeigenabteilung-als-blackhat-seos.html – ist recht weit verbreitet.

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Thomas Knüwer 26. Juni 2008 um 11:28

Ja, da schau her – Focus.de-Chef Jochen Wegner greift den Vorschlag auch positiv auf: http://www.horizont.net/aktuell/digital/pages/protected/showRSS.php?id=77205&utm_source=RSS&utm_medium=RSS-Feed

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Süddeutsche Zeitung manipuliert App-Kritiken | Mind the App! 18. Januar 2010 um 9:24

[…] Andererseits sieht sie aus wie in den 80ern stehen geblieben, steht sie auf der Offline-Seite der digitalen Spaltung und ihr Online-Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs predigt Wasser, säuft aber Wein in Fassmengen. […]

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