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„Also Alex, findest Du wirklich…“, versucht Senior Consultant Lars ein letztes Mal mit seinem Protest Gehör zu finden.
„Schnauze. Du hast genauso mitgemischt“, erwidert die Kollegin kurz und wütend über ihr Megaphon. Das wäre zwar eigentlich nicht nötig, schließlich muss der Schall nur eine Distanz von ungefähr sieben Metern überbrücken, aber Alexandra hat auf das Utensil ebenso bestanden wie auf den Klappstuhl mit der Aufschrift „Regisseurin“.

Auch Managing Partner Marcel wagt noch mal einen Anlauf: „Hör mal, ich bin Dein Chef…“
„Und in diesem Amt hast Du doch glasklar erkannt, dass Du alles tun musst, damit wir einen Kunden nicht verlieren, dem Du ein scheißdämliches Konzept…“ Bevor Alexandra den Satz vollenden kann, willigt Marcel mit abfälliger Handbewegung ein. Vom Chef ist ohnehin nur noch kaum verständliches Grummeln und Grunzen zu hören.

Die drei Männer stellen sich vor der Kamera in Positur, die bedient wird von Senior Consultant Sabine. Alexandra hebt den rechten Arm und vergewissert sich links und rechts, dass Praktikantin Julia und Sekretärin Polia eventuell des Wegs kommende Spaziergänger vom Betreten des Drehorts abhalten. Auch wenn das hier in der bayerischen Einöde eher unwahrscheinlich ist. Auf ein Nicken Alexandras hält Junior Consultant Tanja-Anja eine schwarze Klappe vor das Objektiv der Kamera und ruft aus „Ruhr hoch N die erste!“ Dann setzt die sanfte Gitarre des Playbacks ein.
Blenden wir ein paar Monate zurück. Zu dieser Zeit startet die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt mit fiebriger Vorfreude in ein neues Projekt. Marcel und der Chef haben dank heftigem Networking und unter vollem Einsatz des Spesenkontos eine Reihe hochkarätiger Vertreter des Wirtschaftsverbands Initiativkreis Ruhrgebiet auf ihre Seite gebracht: Die kleine PR-Agentur erhielt den Zuschlag, eine neue Imagekampagne für das Ruhrgebiet zu entwerfen.

Das Dumme: Der Initiativkreis ist nur eine Gruppierung in der Region. Und sonderlich üppig budgetiert ist das Vorhaben auch nicht. Im gläsernen Konferenzraum der Agentur enthüllte Marcel seinen perfiden Plan: „Networking Effects – Echt Tu Peunt Oh!“

Alexandras linke Augenbraue schiebt sich skeptisch nach oben, was ihr ein wenig das Aussehen von Mister Spock verleiht. Ohne die spitzen Ohren, natürlich: „Aber darin haben wir keine Erfahrung.“

Marcels erhobener Zeigefinger teilt die Luft wie ein Scheibenwischer: „That’s the point. It’s the cult of the amateurs. Und außerdem soll die Kampagne ja nicht gut werden – im Gegenteil.“

„Häh?“, fragt Sabine. „Wir liefern miese Arbeit ab?“

Marcel nickt. „Remember ,Du bist Deutschland’? Hat Jean-Remy auch eine shitty Kampagne geliefert, die dazu einlud, sie zu verreißen. Und was passierte? Die Leute haben sie umgemodelt, sie haben Witze drüber gemacht, sie verändert – viral Marketing, Baby. Das kommt nicht ins Rollen, bei good work. Trash rocks!“

Das Schweigen im gläsernen Konferenzraum ist ohrenbetäubend. Dann holt Marcel seinen nächsten Trumpf raus: „Und wisst ihr was: Nebenbei angeln wir uns das ganze Ruhrgebiet.“

Langsam nimmt Alexandras Stimme einen gereizten Klang an: „Und wie das?“

„Es gibt eine Online-Toolbox mit unserem Corporate Design. Und das werden sich dann alle Institutionen im Pott überstülpen, vom Marathon bis zum Theaterfest. Wenn sie ihr Logo einmal angepasst haben – warum sollten sie dann hinterher bei einer anderen Agentur bleiben? They will move over, sugar.“

Alexandra setzt an etwas zu sagen, bricht ab, setzt neu an, die Verwirrung ist in ihrem Blick deutlich ablesbar: „Wir machen eine schlechte Kampagne, aber alle sollen sie übernehmen?“

Einen Moment lang scheint es, Marcel fehle es an einer Replik, ja, als erkenne er einen Denkfehler in seiner Planung. Dann entscheidet er sich, den Einwand zu ignorieren: „Vorschläge, jemand?“

Wenige Wochen später präsentiert die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt dem Initiativkreis ihre Vorschläge. Da die hochrangigen Manager, die im Auditorium sitzen weder Ahnung von viralem Marketing haben, wie Marcel glaubt, noch von guter Werbung, werden die Hintergründe der Idee nicht weiter erläutert. Am Ende wird das Konzept angenommen: „Ruhr hoch n – Teamwork Capital“, ergänzt durch ein Logo, wie es gerade in der Design-Szene en vogue ist.

Sehr genau wird die Kommunikationsstrategie geplant. Ein Redakteur der „Waz“ soll die Kunde in die Welt tragen noch vor der offiziellen Pressekonferenz. In seiner bevorzugten Kneipe, dem „Rüttenscheider Eck“ in Essen, verwickelt ihn Junior Consultant Tanjaanja, gekleidet in ein enges Schlauchkleid, anscheinend zufällig in ein Gespräch. Dem Journalist ist das eher peinlich, denn das „Rüttenscheider Eck“ ist Schlauchkleider eher in Größe 44 gewöhnt und so ist die Begegnung der beiden von der Unauffälligkeit der Steuben-Parade, zöge sie durch Oer-Erkenschwick. Deshalb aber achtet auch niemand auf Lars, der einen kleinen Brief in die Herrenhandtasche des „Waz“’lers versenkt.

Wenig später weiß das Ruhrgebiet von der neuen Kampagne. Und ein paar Tage später ist klar: Hier läuft etwas schief. „Diese Scheißblogger“, schimpft der Chef. „Springen nicht drauf an. Manche loben sogar. Keine Ahnung von schlechter Werbung.“

Selbst die Pressekonferenz, bei der geschickt vor Medienvertretern über die Web-Szene geschimpft wird, bringt keine Wende. Das Thema „Ruhr hoch n“ verschwindet einfach von der Agenda, es interessiert nicht. Und die Anrufe des Kunden werden immer aggressiver.

Die Krisensitzung der kleinen PR-Agentur gleicht einem Putsch. Angeführt von Alexandra wendet sich der weibliche Teil der Belegschaft gegen den männlichen. Es fallen wenig schöne Worte wie „Testosteron-Idiotie“ und „Zicken 1.0“.

Nach fünf Stunden, es ist mittlerweile später Abend, bricht Alexandra eine erneute Beschimpfungstirade in Richtung Marcel schlagartig ab. Ihre Augen verengen sich und ihre Stimme wird gefährlich ruhig: „Wisst ihr was? Wenn die Internet-Gemeinde nicht für virales Marketing sorgt, dann müssen unsere Herren hier halt selbst ran…“

Um vier Uhr am Morgen ist der Widerstand erlahmt. Der Chef, Marcel und Lars sind nicht glücklich – im Gegenteil. Doch sie wissen: Es ist die letzte Chance, den Initiativkreis als Kunden zu halten und so den Pott zu erobern.

Deshalb stehen sie sich nun gegenüber. Frauen und Kamera auf der einen, die drei Herren auf der anderen Seite. „Was muss ich noch mal machen?“, unterbricht der Chef die Szene.
Alexandra greift zum Megaphon: „Zur Musik hüpfen, Arme ein wenig hoch und wenn das C kommt die Arme zum C formen.“ Als sie den Stimmverstärker absetzt, murmelt sie: „Herrgott, ich kann so nicht arbeiten.“ Dann ruft sie: „KLAPPE!“ und die Gitarre beginnt wieder ihr sanftes Lied…

(Gefunden beim Pottblogger)

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:

Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Kollerkommunikation
Die Zahl des Monats
Job-TV 24
Valentinstag
Sepp Blatter
Neue Sanftmut
Street Credibility
Nike
James Bond
Rolling Stones
Eröffnungsspiel
Paris Hilton
Bunte Pillen
Sigmar Gabriel
Gastautorin
Jack Bauer
Second Life
Markus Schächter
KPMG
Keine Re-Publica
Biblische Gärten
Der Deutsche Direktmarketing-Verband
Weihnachtsfeier
Winterdepression
BMW


Kommentare


Hauke Musicaloris 22. März 2011 um 19:35

Oh. Mein. Gott. Das Video ist so schlecht, dass es nur so wie beschrieben entstanden sein kann.

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