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Eines der großen Probleme der PR ist das Gleichsetzen von Quantität und Qualität. Und der stete Glaube, die Masse der Menschen sei so einfältig wie die eigenen Mitarbeiter. Ich muss jetzt mal ein wenig deftig werden. Es gibt dieses Sprichwort: „Esst Scheiße, Millionen Fliegen können sich nicht irren.“ Das ist weder stilvoll noch neu, aber es passt so wunderschön zum Denken mancher Berufskommunikatoren.

Die nämlich legen einen Haufen, und wenn sich die Fliegen darauf versammeln, freuen sich die Tanja-Anjas und hüpfen und jubilieren, auch wenn es eigentlich nicht darum ging Fliegen anzulocken, sondern, ich sag jetzt mal, Bienen. Oder Menschen. Vielleicht gar Menschen von Stil, Anstand, Würde, Geld, oder was auch immer.

Vielleicht ist dies jetzt drastisch, doch anders kann ich nicht interpretieren, was ich beim Read-Write-Web lese.

Anscheinend hat der Pressemitteilungsablaichplatz Business Wire eine E-Mail an seine Kunden verschickt, in der er sich rühmt, mit ihm könnten Unternehmen Journalisten und Blogger umgehen. Immerhin rangiere er doch auf Platz 32 der wichtigsten Quellen von Techmeme. Techmeme ist eine Art Schlagzeilensammler der Web-Industrie, ein wirklich nützliches Angebot.

Weil also die über Business Wire veröffentlichten Pressemitteilungen so wunderbar weit oben platziert sind, sei das Angebot ein prima Instrument, um ungefilterte PR an die Menschen zu bringen.

Was für ein Unsinn. Denn dass Business Wire als Quelle so weit oben landet liegt daran, dass viele Weblogs und News-Seiten auf den Originaltext verlinken, sich also damit beschäftigen. Ob positiv oder negativ – das ist eine ganz andere Sache. Wo die Leser aber einsteigen in die Geschichte, ist nicht nachzuvollziehen. Mutmaßlich kommen sie eher von den Weblogs und Nachrichtenseiten – also der kritischen Einordnung – und wollen sich ein Bild vom Original machen.

Und noch ein weiterer Glaube steht hinter dieser heißen Wire-Luft. Dass die Menschen kein Interesse hätten an der Auseinandersetzung mit einem Thema. Mal abgesehen davon, dass die meisten Pressemitteilungen handwerklich so mies sind, dass kein normaler Mensch sie versteht, so zeugt allein die Existenz von Techmeme vom Bedarf an kritischer Auseinandersetzung mit einer Meldung.

Solche grundsätzlichen Gedanken aber sind vielen PR-Fabriken längst abhanden gekommen. Sie setzen einen Haufen hin, stehen im Kreis darum und erfreuen sich an den Fliegen. Und währenddessen steht eine Ecke weiter eine Runde von Leuten, die eigentlich Adressaten der Kommunikatoren wären, schütteln den Kopf und murmeln, „was für eine Sch…“


Kommentare


Detlef Borchers 18. Februar 2008 um 15:51

Bei den Fliegen musste ich an eine PR-Meldung denken, die heute aus Düsseldorf kam. Es gibt nicht nur die mit dem Haufen:

Der \“Bastian\“ in Second life heißt Brunello Burns (im realen Leben : Enrico A. Kern) und ist ein Avatar, der angetreten ist, die \“Kindliche Kaiserin Second. Life\“ zu retten. Zur Zeit kursieren viele Gerüchte, wonach \“Second life\“ wieder einmal \“im sterben\“ liegen würde… Aber genau das sind die \“Sterbenden\“ unserer Wirtschaft, die solche Nachrichten in die reale Welt setzen, anstatt sich Gedanken zu machen, wie man denn diese \“Phantasie-Welt\“ retten könnte und damit mehr erreicht als nur Geld zu verdienen. Enrico A. Kern behauptet: \“Großkonzerne, die sich frustriert aus Second life schleichen, haben so viel Phantasie und kreative Intelligenz wie eine Eintagsfliege\“.

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Lukas 18. Februar 2008 um 16:04

\“Spiegel Online\“ ist doch auch eines der meistverlinkten Medien. Zwar meistens unter der Prämisse \“Oh Gott, seht euch mal an, was sie diesmal wieder für einen Unfug gebracht haben\“, aber das muss ja niemand wissen.

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Gerald – hyperkontext 6. März 2008 um 2:49

Manueller Trackback:
Februar 2008 im Kontext
http://hyperkontext.at/weblog/artikel/februar-2008-im-kontext/#sind-unternehmen-autisten

[…] Thomas Knüwer (Indiskretion Ehrensache) – Reporter in der Redaktion Handelsblatt – formuliert im Zusammenhang mit einer dumpfbackenen PR (Public Relations)-Aktion etwas drastischer […]

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