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Wir hätten mehr über Qualität reden müssen, bei jener Diskussion am vergangenen Donnerstag in Berlin. Über die Qualität klassischer Medien. Das beweist ein Artikel der „FAZ“ über genau jene Diskussion. Es ist passiert, was ich befürchtet habe. Bei jener DJV-Diskussion in Berlin tauchen auch Berichterstatter auf. Wahrscheinlich verdonnert dazu, eben Kollegen, die sich nicht mit dem Thema beschäftigen wollen. Oder jene, die eine vorgefertigte Meinung mitbringen.

Und dann verhackstücken sie jenen ohnehin schwer zu verfolgenden Abend von für die Öffentlichkeit gesenktem Interesse in kleinen Artikelchen. Natürlich haben sie im Anschluss mit den Diskutanten nicht noch einmal gesprochen, obwohl das möglich gewesen wäre, um nochmal ein exklusives Statement zu bekommen oder Unklarheiten zu beseitigen. Denn entweder haben sie ohnehin keinen Bock auf den Termin – oder wussten vorher, was sie schreiben.

Heraus kommen dann solche Artikel wie der von Tobias Rüther, dem stellvertretenden Chef der „FAZ“-Rubrik „Bilder und Zeiten“.

Denn seine Behauptung „Die Front gibt es also gar nicht, die sich Blogger wie Knüwer oder Don Alphonso herbeiwünschen, um in etablierten Journalisten Feinde zu sehen, Besitzstandswahrer, Gegner von der „anderen Seite“ (Don Alphonso), von hinter der Mauer und dem Mond.“ ist eine derart steile These, dass sie senkrecht in den Boden gerammt wird. Entweder er hat sich vorher nicht kundig gemacht, oder seine vorgefasste Aufgabe war es, die Ehre seines Arbeitgebers zu retten.

Übrigens würde ich mich nach 13 Jahren Tätigkeit für einen überregionalen Zeitungsverlag durchaus auch als „etablierten Journalisten“ bezeichnen, selbst wenn der DJV mich als „vom Handelsblatt-Blog“ bezeichnete, was nur zeigt, dass der Verband nicht gemerkt hat, wie viele Blogs wir haben (und ich den Großteil meiner Arbeitszeit für das Gedruckte tätig bin).

In einen falschen Zusammenhang wird eine meiner Äußerungen auch noch gesetzt: Die Verlage investierten doch ins Internet, behauptet Rüther, täten also, was ich forderte. Nun dürfte den Zuhörern der Diskussion aber auch klar gewesen sein, dass ich Investitionen in die journalistische Qualität meinte und nicht das Wahllose Geldreinstecken in Startups. Solch eine Trennschärfe aber darf man nicht erwarten, Zeit ist eben Geld, schickt man freie Mitarbeiter zu einem Termin.

In einer bemerkenswerten Vermischung von Meinung und Nachricht verbreitet Rüther weitere Diskussionklitterungen: „Dass auch das Internet Regeln braucht, um Persönlichkeitsrechte zu schützen. Dass eine Gesellschaft sich auf einen öffentlichen Diskurs verlassen können muss, in dem Institutionen und Prozeduren wiedererkennbar sind.“ Dies wolle ich nicht erkennen. Falsch. Was ich erkenne, sind die Regeln, die es schon gibt, sie nennen sich Gesetze und sind einfach auf das Internet anzuwenden. Und was ich auch anerkenne sind Leuchttürme des Diskurses – nur müssen die eben nicht mehr in Wirkungslosigkeit erstarrte Institutionen sein, wie der Presserat (zu dem Herr Rüther hier weitere Lektüre findet) oder große Medien, die sich gröbste Fehler leisten.

Fehler, wie die von Rüther in der „FAZ“: Schon sein Eingangswortbildspiel ist schlicht falsch, was wir nicht von der „FAZ“ erfahren – sondern von einem Blogger.

Und so endet der Artikel mit einem Walter-Ulbricht-Zitat: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Es ist eine Frage des guten Geschmacks, ob man solche Zitate verwenden mag. Ich würde es eigentlich nicht tun.

Andererseits: Wenn die „FAZ“ behauptet, sie würde nicht gegen den Kommunikationswillen der Menschen im Internet anschreiben – dann passt dieses Zitat auch wieder verdammt gut.


Kommentare


westernworld 13. Januar 2008 um 13:26

diese diskusion mitz den einschlägigen kastenvertretern hat an diesem punkt eindeutig den zenit ihrer fruchtbarkeit überschritten.

johnny hat es auf den punkt gebracht.

http://www.spreeblick.com/2008/01/12/blogger-vs-journalisten/

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westernworld 13. Januar 2008 um 13:30

und meine rechtschreibkompetenz auch wie es scheint.

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GutesEssen 13. Januar 2008 um 13:51

Ich kapiere immer noch nicht vollständig, weshalb sich die Zeitungskollegen so fürchterlich an dem Thema reiben. An Schüler-/Studentenzeitungsredakteuren, Studentenradios-/TV mosern sie doch auch nicht boshaft. Allenfalls belächeln sie diese \“Ausbildungsmedien\“ mit einem gewissen Wohlwollen (obwohl sie häufig selbst bei solchen Medien angefangen haben). Aber Blogs…

Beim DJV kann ich das noch verstehen. Ich vermute Angstbeißerei aus Furcht vor Kontrollverlust. Der Verband vergibt Presseausweise/Mitgliedschaft nach professionellen Status (nach ihrer Definition) – und dazu gehören die bloggenden Schreiber nicht dazu. Könnte ja jeder kommen, einfach Fakten, Meinungen für den Leser kostenfrei, ohne den Filter (Chef)Redaktion herauszugeben. Als ob der DJV die Qualität der Printmedien sichern würde.

Übrigens fallen mir zunehmend die Vermischung von Fakten und Kommentar, etliche Ungenauigkeiten, offensichtliche PR-Verwertungen und Faktenverdrehereien in Tageszeitungen ein. Nur ein Beispiel: Eine große Berliner Tageszeitung, die unter Investorendruck geraten ist, hat es monatelang nicht geschafft, die Bedingungen für die Berliner Umweltzone richtig darzustellen (welche Plakate für wen, mit welchen Folgen). Offensichtlich hatte niemand das detaillierte und sehr verständliche Infoblatt der Stadt Berlin (ausliegend in den Bürgerämtern) gelesen.

Was sagen eigentlich die Handelsblattoberen dazu, dass ein Teil ihrer werten Redakteure frech und frei ohne Kontrolletts so ein Schmuddelschmähmedium, vulgo Blog, betreibt? Die scheinen ja damit gut umgehen zu können. Haben die gar keine Angst vor Schmähungen, Diffamierungen und mangelnder Qualität?

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XiongShui 13. Januar 2008 um 16:51

Trackback: (…)dazu: Knüwers Philippika, Lesebefehl! (http://buettchenbunt.de/node/608)

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Xpress 13. Januar 2008 um 18:57

Zum Thema Qualitätsmedien fiel mir dann heute auf der Onlineseite der Süddeutschen nur der Vorspann dieser Story auf:

http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/artikel/271/151889/

Man muss kein medizinisches Fachwissen haben, sondern nur einen Funken Allgemeinbildung, um zu erkennen, dass er völliger Bullshit ist.

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Johan K. 13. Januar 2008 um 19:21

Warum sich ausgebildete Journalisten so am Internet und Blogs abarbeiten?

* Weil sie die Deutungshoheit und damit die soziale Stellung des Journalisten bedrohen

* Weil die ganz normalen, etablierten Schweinereien im Journalismus öffentlich werden. Z.B. Abhängigkeit von Anzeigenkunden, schleichende Bestechlichkeit (z.B. Presserabatte, Autotests an exotischen Orten), schlampiges bis gar kein Recherchieren, Gefälligkeitsartikel, Erfinden von Fakten, Wittwenschütteln (erst vor ein paar Tagen gelernt was das ist), verwursten von Pressemitteilungen und Agenturmeldungen, fachliche Ahnungslosigkeit von \“Experten\“, mangelnde Objektivität, Gesinnungsjournalismus, usw. usw. usw.

* Weil die Diskrepanz zwischen journalistischem Habitus (staatstragend, investigativ) und der Realität (siehe oben) dank dem Internet deutlich wird.

* Weil es dem etablierten Journalismus, und gerade Print, schlecht geht, und man ein Feindbild braucht, wer schuld ist.

* Weil eine Generation von Besitzstand-Journalisten am Werk ist, die in der Tradition der 68er steht und technikfeindlich ist. Und absolut unfähig dazuzulernen.

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Jörg Friedrich 13. Januar 2008 um 19:47

Zumidest Außenstehende gewinnen doch sicher den Eindruck, dass sich nicht Print-Jounalisten an Blogs, sondern dass sich Blogger an Zeitungsjournalisten abarbeiten. Schaut doch bitte mal genau hin, wie oft schreiben Zeitungen über Blogs und wie oft schreiben Blogger über Zeitungen?

Ich glaube vom ersten Lesen an, dass dem Rüther das wichtigste an seiner Glosse eben der letzte Satz war. Das war das eigentliche, heimliche Signal (Ich halte die Glosse für ein Auftragswerk Schirrmachers, in das Rüther mit dem letzten Satz die versteckte Nachricht reingeschmugelt hat): Natürlich versuchen Leute bei den Zeitungen, Mauern zu errichten. Aber was tut man dagegen vernünftigerweise? Baut man seinerseits Mauern oder macht man das eigene Angebot attraktiver?

Aus der Geschichte lernen heißt hier: Natürlich versuchen die zu mauern, die am lautesten das Gegenteil beteuern. Dagegen helfen aber keine eigenen Mauern, sondern Offenehit. Gute Texte in die Blog schreiben, die Diskussionen sachlich moderieren, spannende Berichte schreiben. Irgendwann schreibt dann die FAZ ihren fliehenden Lesern hinterher \“Wir weinen ihnen keine Träne nach!\“ und das ist dann der Moment, wo Knüwer oder Niggemeier in sein Blog schreibt: \“Mister Schirrmacher, open this Wall\“

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vip 13. Januar 2008 um 22:37

Der Hinweis von Jörg Friedrich trifft es genau. Es sind die Chefredakteure, die fürchten, den Überblick zu verlieren. Eine Zeitung mit 30, 40 Seiten kann man noch querlesen. Aber im Internet die Kontrolle zu behalten, selbst wenn man davon Ahnung hätte (was aber meistens nicht der Fall ist), das geht nicht. Insofern stellt sich für diese \“Führungsleute\“ letztlich die Frage, will ich weiter Chef bleiben oder aber den Offenbarungseid leisten.
Wenn man nur ein bisschen Einblick hat, was manche unternommen haben, um Redaktionsleiter zu werden, dann wundert einen die Ablehnung von Internet, Blogs und Userkommentaren keineswegs.

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Alex 14. Januar 2008 um 1:30

Ihre Beschwerden über den FAZ-Artikel wundern mich etwas. Das war halt ein Journalist, der sich mit dem Thema nicht auskennt. Was erwarten Sie da?

Das ist genau die Art Beschwerden, die ich häufig von Menschen gehört habe, über die (bzw. deren Anliegen) in der Zeitung geschrieben wurde – mit einem oftmals in beeindruckendem Maße mangelndem Sachverständnis. Dass es gelingt, Journalisten den Kern einer Aussage so gut zu erklären, dass diese es auch sachlich korrekt niederschreiben können, scheint eher die Ausnahme zu sein als die Regel.

Dass sich normale Menschen noch darüber wundern und aufregen, verstehe ich ja. Aber Sie sollten das Medium mittlerweile ausreichend kennen?

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nils 14. Januar 2008 um 9:02

hm, es gab im feuilleton der faz sicherlich schon bessere glossen, aber nichtsdestotrotz hat glaube ich kein leser der printausgabe an eine faktenreiche nachricht gedacht als er die kleine, unaufällige randspalte las (wobei die meisten sie eh übersehen haben dürften). die kursivgedruckte überschrift (will heißen: achtung satire!) geht online natürlich verloren. das größte problem an dem text ist daher eher, dass die, die nicht dabei waren oder davon hörten, auch nach dem lesen nicht wissen, worum\’s eigentlich geht. was auf diesen blogbeitrag hier auch zutrifft.

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