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Es gibt keine Vorstellung, die in Sachen Internet und IT bizarr genug ist, als dass sie nicht von einem deutschen schlagzeilengeilen Volksvertreter ins Sommerloch geworfen werden könnte. Vielleicht wurde Thomas Jarzombek nur falsch zitiert. Mag sein. Nach dem, was wir jüngst aus deutschen Politikermündern gehört haben, ist es aber wahrscheinlicher, dass auch er in die Reihe der Volksvertreter fällt, die weder Ahnung von Technik haben, noch Menschen, die ihnen ins Wort fallen, wenn sie ausgesprochenen Unsinn von sich geben.

Jarzombek ist, das muss wohl erklärt werden, Mitglied des NRW-Landtags für die CDU. Und er ist, das erschreckt, Beauftragter für Neue Medien. Vermutlich ist ihm dieser Posten wegen seines Alters angehaftet worden, die Kompetenz kann es nicht wirklich sein.

Denn Jarzombek hat mit der „Rheinischen Post“ geredet und dabei Abstruses gefordert. Handy-Hersteller mögen ihre Geräte doch künftig mit einem Filter ausstatten, der das Weiterversenden von Gewaltvideos und -fotos verhindern.

Die Staatskanzlei hoffe, „,diskriminierende Aufnahmen von Lehrern im Unterricht‘ könnten durch die geplanten Maßnahmen eher unterbunden werden als durch ein totales Handy-Verbot an Schulen. Dies zumindest sagte der CDU-Medienexperte Thomas Jarzombek der Zeitung.“ Womit die „Rheinische Post“ gemeint ist.

Es braucht nicht sonderlich viel Wissen, um zu ahnen, dass so etwas nicht funktioniert. Von einem Beauftragten für Neue Medien erwarte ich aber, dass er auf dem Stand der Technik ist.

Vermutlich hat der gute Herr Jarzombek einfach die Boulevardseite der „RP“ gelesen. Die Kollegen haben nämlich gleich mal an die Meldung angeklebt, wie der CDU’ler an seine fantasievolle Idee gekommen ist:

„Vor gut zwei Wochen hatte der japanische Kamerahersteller Canon bekannt gegeben, dass er anhand der gemeinsam mit den Fotos gespeicherten so genannten Exif-Metadaten (Exchangable Image File Format) den Fotografen ermitteln will, der den jüngsten Harry-Potter-Roman abfotografiert und kostenlos ins Internet gestellt hatte.

Der US-Verleger der Harry-Potter-Bücher hatte juristische Schritte gegen die illegale Bereitstellung im Internet eingeleitet. Nach Angaben der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) existieren bereits eine Reihe von Farbdruckern, die unbemerkt auf jedem Ausdruck einen nahezu unsichtbaren Farbcode setzen, der Rückschlüsse auf die Seriennummer des Geräts und den Zeitpunkt des Ausdrucks ermöglicht.“

Die Branchenverbände hauen dem jungen Fehlbeauftragen seinen Sommerlochfüller denn auch munter um die Ohren: „Technisch gesehen blanker Unsinn“, meint Bitkom, beim VATM sieht es nicht anders aus.

Auf seiner Homepage fabuliert Jarzombek noch von anderen, wenig realistischen Jugendschutzmöglichkeiten. Zum Beispiel fordert er eine vorinstallierte Software, die nur Inhalte mit einer digitalen Alterskennung abspielt. Wie er die bekommen will? Gute Frage. Dass er den Eltern die Macht über die Handys der lieben Kleinen geben will, ist zwar eine nette Vorstellung – doch dürften die meisten Eltern gnadenlos überfordert sein.

So überfordert wie Jarzombek mit dem ihm übertragenen Aufgabenbereich.

Nachtrag vom 9.8.: Herr Jarzombek hat mich angerufen. Dabei hat er erklärt, es gehe ihm allein um ein sogenanntes Wasserzeichen, nicht aber um einen technischen Filter. RP Online habe ihn dabei nicht richtig wiedergegeben.


Kommentare


Lukas 6. August 2007 um 20:00

Herzlichen Dank. Den Mist hatte ich heute Morgen auch auf der Rheinischen Bild gelesen und wollte fast noch drüber bloggen. Jetzt sind mir Recherche und damit einhergehende Aufregung erspart geblieben.

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marcel weiß 6. August 2007 um 20:38

Medienexperte? Heiliges Kanonenrohr, Batman!

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HV 6. August 2007 um 21:23

Aber das Problem ist doch nicht der Jarzombek. Ahnung von nichts kann jeder haben. Das Problem ist die RP, die ihn für nachrichtenwert hält. Und Knüwer, der die Nicht-Nachricht für blogwert hält. Und die Aufschneider vom Vorboten, die den Quark auch noch kommentieren müssen. So sind wir eben – Medien.

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Marc 6. August 2007 um 21:23

Und ich dachte Inkompetenz bei neuen Medien sei nur bei Juristen zu verorten. 😀

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Kinch 7. August 2007 um 4:29

Haben solche Personen eigentlich keine Angst sich öffentlich zu blamieren? Ich meine, sie müssen doch zumindest erahnen, dass sie keine Ahnung von der Materie habe.

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Marc 7. August 2007 um 10:59

Normalerweise versendet sich sowas. Und alte Zeitungen werden auch weggeworfen.

Weswegen dieses Internet auch böse ist, weil dort alles was mal gesagt wurde konserviertwird. Und das zudem noch von jedem! Weswegen wir auch ganz dringend eine Rei … äh, Bundespublizisten-Kammer brauchen. Denn das mit der Meinungungsfreiheit meint ja nicht, dass da so jeder … Das wird dann so unübersichtlich.

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Frank 7. August 2007 um 12:56

Herr Dingenskirchen hat ja jetzt erreicht, was er wollte. Wenigstens mal für ein paar Tage im Gespräch sein. Schließlich muss er seinem Auftrag als Beauftragter ja nachkommen.

Vielleicht heißt \“Beauftragter für neue Medien\“ aber auch nur, dass er morgens immer die Zeitung holen muss, wer weiß…

Blamage ist bei Politikern da ja im Allgemeinen kein Hindernis. Im Übrigen erkennt das ohnehin nur die \“technische Elite\“, und die ist ja nicht gerade die Hauptzielgruppe der CDU (oder der SPD, der FDP, oder der RP).

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Markus 7. August 2007 um 13:59

Das Forum von golem.de empfinde ich für gewöhnlich als alles andere als lesenswert. Kürzlich stand dort aber sehr treffend:
Wer sich standhaft weigert, lesen und schreiben zu lernen, sollte sich bitte schön aus der Diskussion um die Rechtschreibreform raushalten.
Ich wünschte mir, mehr Politiker würden dies beherzigen. Nicht nur bei Web2.0, Urheberrecht oder Killerspielen.

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Philip 8. August 2007 um 9:12

Das ist echter Qualitätsjournalismus: Die Überlegungen von Jarzombek zum Jugendschutz sind Quatsch, weil das die Netzbetreiber und Hersteller (die gärtnernden Böcke) ja auch sagen. Wow, ich hoffe, der schlau bebrillte Lohnblogger wird nicht irgendwann anfangen, sich konstruktivere Gedanken zum Thema zu machen. Das wäre weniger unterhaltsam.

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Thomas Knüwer 8. August 2007 um 9:19

Nicht Jugendschutz ist Quatsch. Aber seinen Gehirnschmalz zu investieren in Vorschläge, die technisch nicht umsetzbar sind. Ich fordere auch nicht, Autos sollten von heute an keinen Sprit mehr verwenden und fliegen können um den CO2-Ausstoß bei Flugreisen zu senken.

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Rahul Sinha 8. August 2007 um 12:44

So wie ich das alles verstehe, geht es doch nur darum, die MPEG-Dateien der Handy-Kameras mit digitalen Wasserzeichen zu signieren. Warum soll das nicht möglich sein? Geht doch bei iTunes auch.

Eine andere Frage ist natürlich, ob man das möchte. Anonymität im Netz gibt es aber doch schon lange nicht mehr, ob es die Winword-Seriennummer in den .doc\’s ist oder die personenbezogene Speicherung aller Google-Suchen für 18 Monate. Kann doch wohl nicht sein: Unternehmen dürfen zu kommerziellen Zwecken unendliche Datenmengen sammeln, der Staat aber nicht den Urheber eines Gewaltverbrechens ermitteln?

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Stephan 8. August 2007 um 14:07

Ich finde die Jarzombek-Idee sinnvoll. Es geht doch nur darum, die Bild-/Video-Dateien mit der SIM Karten oder IMEI-Nummer zu signieren. Das Verteilen von den Dateien bleibt doch ganz normal möglich. Wenn jemand Mist verteilt, dann besteht wenigstens die Möglichkeit den Urheber rausfinden. Ob das tatsächlich nachverfolgt wird – ist ja eine andere Frage. Das es eine Möglichkeit der Nachverfolgung gibt, das wissen dann aber die Jugendlichen auf dem Schulfhof. Die Maßnahme hat meines Erachtens mehr präventiven als repressiven Charakter.

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Thomas Knüwer 8. August 2007 um 14:30

Da sag ich doch mal: Willkommen bei einem weiteren Schritt in den Überwachungsstaat. Denn natürlich würde jedes Foto mit dieser Nummer versehen. Und das nur, weil es ein paar wenige gibt, die die Grenzen überschreiten. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag entspricht der Vorratsdatenspeicherung zur Terrorbekämpfung.

Aber Jarzombek redet ja nicht von einer solchen Dateisignatur, sondern von einem Filter. Und der ist technischer Blödsinn.

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Stephan 8. August 2007 um 14:49

Ist doch totaler Blödsinn. Gespeichert werden die signierten Bilder ja in erster Linie auf den Handys und nicht in dubiosen Servern á la Akte X. Das ist Schwarzmalerei. Es geht um eine einfache Signatur, nicht um Filter.

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Arnd 8. August 2007 um 14:51

Eine sonderbare Art von Journalismus ist das hier: Früher wurde erst recherchiert, dann berichtet und am Ende bewertet. Hier fängt der Autor gleich mit der Bewertung an, das macht das ganze offenbar viel billiger für das Handelsblatt. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass der Autor verstanden hat, was von Jarzombek überhaupt gefordert wurde. Sollte dem nicht so sein, ist seine Gabe überschaubar, dies dem Leser zu vermitteln. Ich jedenfalls kann es dem Blog nicht entnehmen.
Wie kann man dann aber einen Vorschlag auf so peinliche Weise zerreißen? Ich finde es sehr angebracht, dass sich die Politik Gedanken zum Jugendschutz macht. So wie ich es sehe, hat das auf diesem Feld noch niemand anders getan. Ich halte es jedenfalls für entbehrlich, dass Kinder in der Schule mit Hinrichtungsvideos und ähnlichem überschwemmt werden. Aber vielleicht ist das alles für den Autor so lächerlich, weil er selbst keine Kinder hat?

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Spritkopf 8. August 2007 um 15:11

Lt. seiner Abgeordnetenseite ist Thomas Jarzombek übrigens selbständiger EDV-Berater. Und seine Firmenwebseite (www.jitc.de) strotzt nur so vor Kompetenz. Oder? 😉

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Thomas Knüwer 8. August 2007 um 15:59

So, liebe Jarzombek-Freunde, ist doch schön, dass Sie hier so eifrig mitmischen. Logischer wird das ganze dadurch aber nicht.

1. Natürlich werden die Daten zwischenzeitlich auf Servern gespeichert, wenn auch nicht dauerhaft. Ach, doch, dauerhaft. Vorratsdatenspeicherung, könnte das ja noch möglich machen. Aber die Signaturen werden auf den Handys gespeichert. Und somit ist jedes Foto, jedes Video verfolgbar. Auch das ist Überwachung. Und noch einmal: Herr Jarzombek will kein Wasserzeichen, sondern einen Filter. Das sind zweierlei Dinge.

2. Ich habe nie etwas gegen Jugendschutz gesagt. Nur gegen Lösungen die, let\’s say it together, TECHNISCH NICHT MACHBAR SIND. Das ist keine Frage der Überforderung, sondern der technischen Logik. Ein Filter würde ein international gültiges Bewertungssystem von Videos voraussetzen. Und auch dann wären nur Videos damit versehen, die auf irgendeiner Plattform eingebucht sind. Nehmen wir aber den jüngsten Fall: Ein paar Düsseldorfer Schüler verprügelten einen Obdachlosen und filmten das. Wird dieses Video per Handy verschickt, gibt es keine Filter, die es blockieren könnten. Denn es ist privat erstellt. Ich bin aber sicher, dass Deutschlands Prügeltäter einsichtig sein werden und solche Bilder mit einem Jugendschutzzeichen versehen.

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Thomas Knüwer 8. August 2007 um 16:00

@Spritkopf: Ist das DER Thomas Jarzombek? Ach, Du dicke Backe…

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Torsten 8. August 2007 um 18:47

Wenn die Handy-Videos signiert sind, ist ein Filter natürlich technisch relativ einfach. Einfach eine Blacklist pflegen mit ein paar Zahlen.

Zwei Probleme:

1. Wer soll die nötige Infrastruktur aufbauen und unterhalten?

2. Natürlich ist es auch sehr einfach eine solcheSignatur wieder zu entfernen bzw den Filter anders zu umgehen.

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Torsten 8. August 2007 um 18:48

Ach ja: auf dem Medienforum in Köln hatte sich Minister Laschet über solche Pläne bereits geäußert und ihnen eine Absage erteilt. So neu ist die Geschichte also nicht.

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Spritkopf 8. August 2007 um 19:04

@Thomas Knüwer: Es würde mich wundern, wenn es noch einen zweiten EDV-Berater dieses Namens auf der Oststraße in Düsseldorf gäbe. Also wird er es wohl sein.

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Markus 16. August 2007 um 16:31

Jugendschutz à la Vodafone:

\“Mit wenigen Tastenklicks kann die Jugendschutz-Sperrfunktion aktiviert und damit
die Bluetoothschnittstelle gesperrt werden.\“

Und Herr Jarzombek gratuliert dazu in einer Vodafone-Pressemeldung.

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

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