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Jüngst habe ich viel herumgemäkelt an Deutschlands Verlagshäusern. Zeit, mal ein paar Ideen reinzuwerfen, statt immer nur Kritik. „Berater kann eigentlich jeder werden“, habe ich diese Woche gedacht. Vor allem, als ich am Mittwoch im Zuschauerraum bei einer Diskussion verschiedener Medienberater saß. So viel Langeweile, so viel heiße Luft, so viele geklaute Ideen.

Natürlich möchte ich nicht Berater werden. Meine Powerpoint-Fähigkeiten reichen auch nicht aus, um das Floskeln optisch beeindruckend genug zu verpacken (Übrigens sei jedem Berater empfohlen, sich einen Apple zuzulegen: Das dazugehörige Präsentationsprogramm ist noch viel augenblendender als sein Microsoft-Gegenstück).

Ich habe mich also gefragt, was ich Zeitungsverlagen raten würde, wäre ich ihr Berater. Herausgekommen sind drei Ansätze, die ich in beraterüblicher Sprache bezeichnen möchte als:

1. Let Youth Be Your Energy
2. Learn To Script
3. Become A Network Innovation Company

***Wir stellen uns nun eine einfliegende PP-Folie vor, unterlegt durch ein digitales KLATSCH!***

1. Let Youth Be Your Energy

Jede Branche orientiert sich an denen, die besonders fortschrittlich sind. Nehmen wir Joghurt: Die wichtigste Innovation der Molkereibranche waren in den vergangenen Jahren probiotische Joghurts. Was diese Joghurts im Körper anstellen, ist nur schwer zu vermitteln. Trotzdem haben die Milchkonzerne mit L.-Casei-Vokabular hantiert, als seien all ihre Kunden Diplom-Biologen – mit Erfolg.

Verlage aber definieren ihre Strategie nicht an denen, die vorne sind – sondern an jenen Kunden, die zurück liegen. „Wir dürf unsere alten Leser nicht verlieren“, war ein beliebter Satz beim Medienforum NRW in der vergangenen Woche.

Das ist richtig. Nur verliert, wer mit seinem Produkt die Rückständigen erreichen will, automatisch die Fortschrittlichen. Die meisten Menschen sind ehrgeizig genug, gewisse Wissendefizite aufzuholen. Sie haben aber keine Lust Geld für eine Ware auszugeben, die sie intellektuell unterfordert.

Gleichzeitig ist die geistige Aufnahmefähigkeit insgesamt gestiegen. Egal ob TV-Serien, Filme, Bücher – die Massenkultur ist heute erheblich komplizierter strukturiert als vor 20 Jahren. Von Zeitungen hat man diesen Eindruck nicht.

Natürlich ist es richtig, dass ältere Leser nicht verloren gegeben werden dürfen. Doch machen Verlage kaum Anstalten, sie mitzunehmen. Für Lokalzeitungen wäre die Medienpartnerschaft mit Internet-Seniorenkursen eine Möglichkeit.

Wie es gehen kann, zeigt die Autoindustrie. Neue Techniken sprechen mit kompliziert klingenden Kürzeln die Fortschritts-Fans an. Die dazu gehörigen Marketingkampagnen zeigen die Wirkung der Innovationen für die weniger Kundigen. Würde ABS nicht ABS sondern „Heinrich, der Schnellstopper“ heißen, würden die Kenner solch eine Erfindung nicht ernst nehmen.

Noch dazu hätte solch eine Orientierung auch Signalwirkung in die Redaktionen, was die Fortschrittsfeindlichkeit dort bremsen könnte.

***Powerpoint-Folie von rechts unten, eingeflogen mit mittellautem PIIIIEP***

2. Learn To Script

American Football ist der vielleicht taktischste Sport der Welt. Weshalb sich viel von ihm lernen lässt in Sachen Management.
Bill Walsh, der legendäre Trainer der San Francisco 49ers in den 80ern, entwickelte ein Strategiekonzept namens „Scripting“. Dabei legte er die ersten 15 Spielzüge fest. Und er änderte sie auch nicht, wenn der Gegner die eigene Mannschaft überrollte. Walsh ruhte in dem Wissen, dass ein Spiel lang ist und die ersten 15 Spielzüge nur selten über Sieg oder Niederlage entscheiden. Doch kann anhand dieser Spielzüge getestet werden, wie der Gegner auf bestimmte Schlüssel-Situationen reagiert.

Scripting ist in den USA eine bekannte Management-Methode: Bleib bei Deiner Anfangsstrategie, halte durch und definiere einen klaren Punkt, an dem Du Lehren aus dem Gesehenen ziehst.

Verlage aber agieren oft zu hektisch, zu sehr von Moden getrieben. Jene Gelassenheit durch das Wissen, langfristig zu gewinnen, fehlt ihnen.

***Hirn ducken, neue Folie, dazu ein TÖÖÖÖRÖÖÖÖÖ***

3. Become a Networking Innovation Company

Das Innovationsschema der Verlage ist das der Konkurrenzkopie: Wenn ein Rivale etwas versucht, wollen es die anderen Mitbewerber auch haben. Systematisch werden so Märkte totinnoviert. Sehr schön zu beobachten ist dies bei Lifestyleblättern und -beilagen: Wenn der eine die Zielgruppe anvisiert, tun es die anderen auch. Oft ist das Ziel dabei nicht das eigene Reüssieren, sondern das Bekämpfen des Gegners. Ergebnis: allgemeine Destruktion und Bindung von Finanzen, die anderenorts besser aufgehoben wären.

Das läuft auch so im Internet: Legt sich Verlag A ein Social-Bookmarking-Unternehmen zu, will Verlag B auch eins haben. Egal, dass die Interessen der Nutzer genau gegenteilig sind – die nämlich wollen nur einen Anbieter. Das riecht schwer nach Absicherung der Entscheidungsträger: Da sie kein Gespür dafür haben, was an neuen Ideen funktionieren könnte, kaufen sie, was andere kaufen. Selbst wenn dies scheitert, lässt sich noch immer die Ausrede anbringen: „Aber wir mussten doch nachziehen…“

Wie es anders geht, zeigt Apple als Beispiel für eine Network Innovation Company. Der Ipod wurde von einem Berater erdacht, den Apple dann gleich als Projektleiter einstellte. Der Ipod selbst wurde aus vorhandenen und auf dem Markt frei verfügbaren Teilen zusammengestellt. Ähnlich arbeitet die Pharma-Industrie, die systematisch ihre Bindung an Biotech-Unternehmen stärkt, wenn diese interessante Ansätze entwickeln.

Innovation kann von außen kommen – und man muss sie systematisch in die eigenen Produkte einbauen. Beides müssen Verlage erst lernen. Ich kenne beispielsweise keinen Verlag, dessen Bürokommunikations-Architektur auf dem neuesten Stand ist – die meisten hängen Jahre zurück. Es gibt sogar Großverlage, die krampfhaft versuchen, externe Innovationen nachzubauen. Selbst wenn aber Innovationen eingekauft werden, wie derzeit im Bereich der Startups, dann werden sie nicht eingebunden in das vorhandene Geschäft – sie laufen nebenher.


Kommentare


hape 22. Juni 2007 um 15:07

Ich will auch mal:
1. Produce unique content
2. Let your readers participate
3. Ads: central, but unobtrusive

Antworten

Peter Turi 22. Juni 2007 um 15:33

Ne, das war nix. Zu viel Zustandsbeschreibung, zu wenig Handlungsanweisung. Knüwer, Sie sind gefeuert! 😉

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Clap 22. Juni 2007 um 16:33

Eine Handlungsanweisung enthält Ihr Kommentar aber auch nicht, Herr Turi! …

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Detlef Guertler 22. Juni 2007 um 16:43

Ich find\’s auch viel besser, wenn Knüwer ein guter Journalist bleibt, statt ein schlechter Berater zu werden.

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jo 22. Juni 2007 um 18:10

ich komme mit einem bulletpoint aus:

koof mich!

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Erik 23. Juni 2007 um 8:10

Immerhin, den neuesten Trend, Präsentationen in reinem schwarz/weiss, haste kapiert 😉

Dabei stehen auf jeder Folie nur Deine Überschriften, den Rest gibts nur auf der so gen. \“Tonspur\“. Das zwingt die Menschen in Deine Seminare, denn sie können nichts mitnehmen, ausser Deinem neuen B\’word. Lesson learnt,

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Tom 23. Juni 2007 um 18:30

… oder sie müssen sich stundenlange Mitschnitte von Sessions reinziehen. Was den Effekt hat, dass nicht der Inhalt bekannt wird, sondern der Referent. Lesson learnt.

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SvenR 23. Juni 2007 um 19:52

Herr Knüwer, Sie wissen ja, das \“beraten\“ ein zusammengesetztes Wort ist. Es kombiniert \“betrügen\“ und \“verraten\“ ;-))

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Woo 25. Juni 2007 um 11:23

Frei nach Dogbert.. \“If you combine \’con\‘ and \’insult\‘, you get \’consult\‘.\“ Passend dazu ja auch das englische \’to berate\‘ – beschimpfen, streiten.

Hat eigentlich jemals ein Berater einer Firma gesagt, dass sie alles richtig machen und nur zuviel Geld fuer Berater ausgeben?
Den Krams den diverse Berater unserer $Firma in x-tausend Euro teuren Glanzmappen mitgeteilt haben, habe ich dem Chef auch vorher schon kostenlos beim Kaffeekraenzchen dargelegt. Aber man glaubt ja lieber einem externen Berater als einem langjaehrigen Mitarbeiter. Der Berater kostet mehr, also muessen die Ergebnisse besser sein. q.e.e.

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Öhhm 25. Juni 2007 um 13:10

Was so bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen und sogar bei Agenturen an Technik herumsteht, ist leider wirklich ein Trauerspiel. So war es gar nicht so leicht, in der Berliner (Quasi-)Zentrale einer großen Nachrichtenagentur vor einem Jahr einen Steckplatz für den USB-Stick zu finden. In einer großen Berliner Programmzetschrift kann die Magazinredaktion nicht auf die Daten der Programmredaktion zugreifen, von einem digitalen Fotoarchiv ganz zu schweigen (Wozu gibt es denn die praktischen Regale mit hunderten CDs/DVDs drin?), usw. usf.
Gleichzeitig wird eine immer größere Arbeitsverdichtung forciert, die zu erträglichen Arbeitsbedingungen nur mit fortschrittlicher Technik zu leisten wäre. Wenn man sich dann überlegt, dass es sich im Falle der Zeitschrift um die finanzielle Größenordnung des im letzten Jahr neu zugelegten Dienstwagens des Geschäftsführers handelt, wird einem ganz schlecht…
Werden die Sachen absichtlich gegen die Wand gefahren?

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