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Junge Menschen werden durch ihre Mentoren geformt. Sagt man. Und wenn dem so ist, mache ich mir ernsthaft Sorgen um die Schüler der PR-Schmiede Communication College. In der Anfangszeit dieses Blogs machte ich mich einige Male lustig über die bizarren Mails des Communication College, einer Fernbildungseinrichtung für Berufskommunikatoren. Deren Chef verschickte an ihn nicht kennende Journalisten schon mal Sommerlyrik. Jede Woche erheitert er außerdem das Volk mit dem Lama, was nicht für urbane Kaffeevariationen steht, sondern für den „Lachenden Manager“, den es inzwischen für jeden zum nachlesen gibt. Ein anderes Mal wurden genetworked mit dem Verschicken von Regeln zum Schulstart oder einer Fanartikelkollektion.

Mit all den bösen Texten, befürchte ich nun, hab ich Schlimmes angerichtet. Eine irreperable Schädigung. Denn nun hackt das Communication College auf Weblogs ein, wie mir gerade berichtet wird:

„Interessenten an unserer PR Aus- und Weiterbildung mit staatlich öffentlich-rechtlicher IHK Prüfung

Gruesse, Stammtische haben keine redaktionelle Kontrolle; Weblogs auch nicht. Von daher sind Weblogs die zeitadäquaten, deutschen Stammtische
im 21. Jahrhundert“. Und: „Manche Newsletter sind eher der Stammtisch als die Information.“ Ingo Reichardt

Das gab viele Diskussionen. Bei uns im Kurs lernen jedenfalls die Kursteilnehmer auch etwas über die
Standards des Journalismus, was wir mit dem früheren Chefredakteur der Aachener Nachrichten Wilfried Lindner auch für unseren Kurs vereinbart
haben (gilt nicht für Möchtegern Journalisten von Newslettern und Weblogs): Die Standards (nicht nur) des Nachrichtenjournalismus: Objektivität, Quellenangabe, Nachprüfbarkeit, Vom Wesen der Nachricht

Objektivität
In den westlichen Demokratien wird die Nachricht nach dem Standard der „objektiven Berichterstattung“ formuliert. Da Nachrichten von
Individuen subjektiv aufgenommen und vermittelt werden, kann man sich dem Ziel „Objektivität“ nur nähern, es aber nie erreichen. Um ein hohes
Maß an journalistischer Glaubwürdigkeit zu erzielen, bemühen sich die Redakteure um eine möglichst unparteiische und faktenorientierte
Darstellung des Ereignisses. Eine gezielte Wertung durch den Journalisten hat in der Nachricht nichts zu suchen. Seine Meinung ist im Kommentar gefragt.

Nachprüfbarkeit
Nachrichten können in letzter Konsequenz die Wahrheit nicht abbilden. Von Journalisten wird aber ein Maximum an Genauigkeit, von der
Beschreibung des Ereignisablaufes bis zur exakten Nennung von Namen, Daten und Terminen erwartet. Wesentlich ist auch die Transparenz der
Nachrichtengebung. Das heißt, der Leser muss die Pro- und Contra-Argumente zu einem Ereignis oder einem Sachverhalt aus dem Artikel entnehmen können.

Quellenangabe
Wenn der Journalist nicht aus eigener Anschauung berichten kann, muss er seine Quellen im Text nennen. Auch wenn die Informationsquelle noch
so seriös erscheint, ist er nicht von der Pflicht entbunden, die Informationen durch Gegenrecherche auf ihre Exaktheit zu überprüfen, oder, wenn dies nicht möglich ist, die Quelle exakt zu nennen. Hat er Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Informationen oder an der Informationsquelle, muss er entweder auf die Daten verzichten oder in
seinem Artikel die Fakten für die Zweifel darlegen.

Vom Wesen der Nachricht
Als Nachrichten werden erst einmal alle Mitteilungen verstanden, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind, sich also von dem ‚Normalen‘ >unterscheiden (nach Weischenberg, 1988). Bei dieser Definition stellen sich u.a. folgende Fragen: Wer ist die Öffentlichkeit und welche Interessen hat diese? Die „taz“ hat eine andere Leserstruktur und andere Bewertungskriterien als die „Welt“ oder die Lokalredaktion einer regionalen Tageszeitung. Deshalb nur einige unvollständige Anmerkungen dazu: Wichtig für das Aufgreifen von Nachrichten, ihre journalistische Umsetzung und die Plazierung auf der Zeitungsseite sind die gesamtgesellschaftliche Bedeutung (Ausmaß und Konsequenz des Ereignisses) und/oder das (vermutete) Leseinteresse. Anhaltspunkte für das Leserinteresse sind unter anderem: Lesestrukturdaten, regionale, psychologische Nähe, Aktualität und Prominenz.“

Ja, es ist ein schönes Wunderland, in dem das CC lebt. Im Gegensatz zu den Bloggern. Die sind böse, wie wir erfahren:

„Von daher können wir gut Jean-Remy von Matts mutige! und richtige! Bloggerbeschimpfung nachvollziehen…

Der cc-Kommentar dazu: von Matt hat recht und
ergänzend: es gibt auch eine Reihe von Newslettern, die verhalten sich genauso, nicht nachgeprüft, bezahlt, gesponsert, man bekommt nur
tendenziöse Berichterstattung.“

Und ich dachte schon, da setzt das CC jetzt zur! richtigen! Selbsterkenntnis! an! Nö. Denn an der Auswahl dahinter geklebter Artikel erfahren wir den Grund für diese E-Mail: Die Diskussion um die misslungene Coty-Aktion. Unter anderem wird – Volltext – die Spiegel-Online-Berichterstattung angehängt.

Denken wir mal logisch: Blogger lügen, weil PR-Leute Fake-Blogs aufbauen. Darf ich das Demagogie nennen? Oder schlicht Dummheit? Um die Absolventen des Communication College mache ich mir auf jeden Fall angesichts solcher Newsletter Sorgen. Wie sagt dessen Chef aber noch am Anfang der Aussendung so passend:
„Manche Newsletter sind eher der Stammtisch als die Information.“

Was! für! eine! Selbsterkenntnis!

Übrigens: Ist das Versenden Volltextartikeln aus Online-Angeboten, der CC-Newsletter enthält diesen, diesen, diesen, und diesen, eigentlich im Sinn des Rechteinhabers?


Kommentare


Sascha Stoltenow 10. April 2007 um 22:39

Ich hoffe, dass Sie weiter auf hervorragende! Qualität! der! Inhalte! im! Umfeld! des! CC! hinweisen! Dann werden dort zukünftig Heerscharen von Tanja-Anjas ausgebildet werden und sorgen dafür, dass dem Knüwer-Blog nie der Stoff ausgeht.

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Andreas Kaul 11. April 2007 um 8:54

immerhin, er hat stammtische gesagt, das ist doch besser als klowände 😉

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Dr. Dean 13. April 2007 um 12:23

Frei nach JRvM: Stammtische sind die Klowände der Gasthauskultur. Anyway, ich kann die mutige! und richtige! Inkompetenz-Enttarnung nachvollziehen. Ob das aber auch der bloggende, äh, newsletterversendende Adressat kann?

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mike 14. April 2007 um 15:15

Boah, was hat den denn gebissen, das ist ja rein zu köstlich.

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