Skip to main content

Erschöpft wirkt er, der Intendant des ZDF. Die Tage der Fernsehkritik sind vorbei, einst eine Jubelveranstaltung für die Öffentlich-Rechtlichen. Heute aber bezieht Markus Schächter Prügel, weil er sich wehrt gegen das Internet. Und wer könnte ihm in so einem Moment besser beistehen, als Kurt Beck, sein guter Kumpel, und der Chef der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt? „Was sollen wir denn machen?“, seufzt Schächter.Interessiert sich doch keiner mehr fürs Fernsehen. Glotzen alle nur noch Youtube und so.“ Ein trauriges Häuflein Mensch hockt da über einem Glas „Wachenheimer Alte Herrlichkeit Südhang 2001“.

Ein kräftiger Klapps von Kurt Beck soll ihn aufmuntern, sorgt aber nur dafür, dass die Nase des Intendanten in der „Alten Herrlichkeit“ landet. Während Schächter versucht, seinen Anzug einigermaßen vom Riesling zu befreien, poltert Beck in Richtung des Chefs: „Kannst Du da nicht was machen? PR-mäßig und so?“

Natürlich grübelt der Chef schon seit Minuten, ob nicht das ZDF sich als Kunde der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt gewinnen ließe. „Nun ja“, sagt er und presst die Fingerspitzen beider Hände gegeneinander, eine Geste, die ihn als tiefen Denker ausweisen soll. „Vielleicht müsste man über Bande spielen…“
„Was?“, fragt Schächter.
„Nun, man müsste noch einmal beweisen, dass im Internet nur Müll zu finden ist.“
Schächter richtet sich auf: „Und wie?“
Gedankenschwer nickt der Chef, längst hat er eine Idee. Doch würde er sie jetzt verraten, wären die schönen, GEZ-gebührenfinanzierten Honorare futsch. Also orakelt er einfach: „Geben Sie mir zwei Wochen.“

Zurück in der kleinen PR-Agentur bespricht er sich mit Managing Partner Marcel.
„Ich stell mir da so vor“, erklärt der Chef: „Wir produzieren etwas ganz, ganz Hirnrissiges. Verkaufen es aber als große Innovation des ZDF. Im Fernsehen läuft es zu einer Sendezeit, wo sowieso niemand hinguckt. Bevor es dort gezeigt wird, bringen wir es vorher ins Internet. Web Tu-Oh, und so.“
Marcel schaut verständnislos: „Und dann?“
„Stellen wir es in Youtube. Können dann jammern, dass Inhalte geklaut werden.“
„Aber… ist das nicht gebrandet? Mit ZDF-Logo?“
„Löschen wir vorher raus. Dann können wir auch Politiker angeln.“
„Wie das?“
„Zeigen ihnen das, was wir produziert haben auf Youtube. Es muss nur so schlecht sein, dass es jeder sofort merkt. Wenn Glos das sieht, lässt er auch weiter seine Leute das Internet bedienen.“
„Aber werden uns die Medienjournalisten nicht auf die Schliche kommen?“
„Quatsch. Die lesen sich doch nur die Pressemeldungen durch und gucken das Zeugs doch gar nicht. Hauptsache, wir behaupten, es sei Qualität – dann schreiben die das auch.“
Marcel lächelt: „Genial. On the one hand attackieren wir über die Rechtefrage, on the other hand machen wirs über die Qualität.“
Der Chef nickt: „Brauchen nur noch content. Wie schaffen wir das?“

Marcel ist in diesem Punkt sehr optimistisch. Schließlich hat sich Junior Consultant Tanja-Anja auf Umwegen zu einem der wichtigsten Bestandteile der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt entwickelt. Gerade weil sie seit der Sache mit Jobscout geistig, sagen wir, labil ist.

Ein befreundeter Arzt hat Marcel mit den Tabletten versehen, die Tanja-Anja zweimal täglich ihrer kleinen Pillendose entnimmt. Wochenlang experimentierte Marcel dann heimlich, wie sich eine Veränderung der Dosis auswirkt. Mal versteckte er Tanja-Anjas Schächtelchen, dann wieder bot er sich an, ihre neueste Teevariante zuzubereiten – und mischte fein zerbröselte Pillen ins heiße Wasser. Die Ergebnisse waren bemerkenswert, ohne Marcels pharmakologischen Forscherdrang wäre Air Berlin wohl nie zu seinem wunderschönen Firmensong gekommen:

„Flugzeuge im Bauch
Im Blut Kerosin
Kein Sturm hält sie auf
Uns’re Air Berlin
Die Nase im Wind
Den Kunden im Sinn
Und ein Lächeln stets mit drin
Air Berlin“

Irgendwann aber, werden der Junior Consultant zu viele der grünen Glücklichmacher verabreicht, schlägt ihre Stimmung um in Depression und vermindertes Denkvermögen. Das hat er bei der Sache mit dem Puzzle durch exerziert.

So weit soll es diesmal nicht kommen. Aber es erfordert eine genaue Dosierung, die sie auf die Klippe bringt zwischen Euphorie und Dummheit. Der letzte Faktor kann noch verstärkt werden durch die menschliche Beigabe namens Julia. Also brieft er die Praktikantin gemeinsam mit der Junior Consultant: Sie sollen eine TV-Serie entwerfen. Pro Folge nur 15 Minuten und so „driven away as possible“, sagt Marcel.

Zwei Wochen später sitzt er den beiden wieder gegenüber und klopft sich innerlich so sehr auf die Schulter für diese Idee, dass seine geistige Energie ihm fast die Schulter bricht. Denn was ihm Tanja-Anja und Julia da vorschlagen ist so schlimm – das muss funktionieren.
„Also, es ist eine Science-Fiction-Serie“, beginnt Tanja-Anja.
„Und die Hauptfigur heißt Ijon Tichy. Und hat eine Akzent wie Polia„, fährt Julia fort.
„Sein Raumschiff sieht innen aus wie ein schrammeliges Wohnzimmer.“
„Und er hat ein Hologramm als Co-Pilot. Aber ein Hologramm kann ja nichts anfassen. Deshalb fällt alles hin“
Die beiden kichern vor Begeisterung.
„Und er hat einen Staubsauger, der aussieht wie R2D2 aus ,Krieg der Sterne‘.“
„Aber es ist gleichzeitig sein Wartungsroboter.“
„Und der wird von einem Monster gefressen, das aussieht wie Samson aus der ,Sesamstraße‘ – nur ohne Arme.“
„Und deshalb will er sich auch fressen lassen.“
In diesem Moment bekommt Tanja-Anja kaum Luft vor Lachen, Julia macht weiter: „Der hat aber noch den Schlüssel für das Raumschiff. Deshalb will sich Tichy auch fressen lassen.“
Marcel versucht irgendetwas an dieser Geschichte lustig zu finden. Vergeblich. Um seine Unterstützung zu simulieren wirft er ein: „Also tackert er sich ein Stück rohes Fleisch an den Raumanzug um das Monster anzulocken?“
Julia und Tanja-Anja verstummen schlagartig: „Nein. Das wäre doch nicht witzig. Wir haben uns gedacht…“ Schon prustet die Junior Consultant wieder los.
„…er begießt sich mit Pilzsoße“, beendet Julia den Satz.

Im Internet erträgt der Chef das Produkt aus dem eigenen Hause kaum. „Ist ja echte Folter“, lobt er Marcel.
Zufrieden lehnt er sich dann später zurück, als er die ersten Kritiken der Medienjournaille liest:

„Ihren umwerfenden Charme beziehen die Folgen dabei vor allem aus der erstaunlichen Fertigkeit der Macher, mit wenigen, stimmungsvoll eingesetzten Utensilien technisches Gerät zu erfinden, bei dem „Raumschiff Orion“ ohne Nostalgie grüßen lässt und der Aufwand von „Star-Wars“ erholsam Lichtjahre entfernt wirkt.“, schreibt die „FAZ“.

„Aber es ist echtes Fernsehen, mit Leidenschaft statt Riesenbudget, mit Unterstützung echter Herzblutakteure wie Nora Tschirner als eine von drei Sprechrollen, mit Freude am Arbeiten und vor allem Gespür für die Generation YouTube.“, meint die „Taz“.

Jetzt muss er den Müll nur noch Glos zeigen – und dann wird der Wirtschaftsminister schon eine Regulierungsbehörde für Internet-Fernsehen gründen.

(Gefunden beim Popkulturjunkie)

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:

Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Kollerkommunikation
Die Zahl des Monats
Job-TV 24
Valentinstag
Sepp Blatter
Neue Sanftmut
Street Credibility
Nike
James Bond
Rolling Stones
Eröffnungsspiel
Paris Hilton
Bunte Pillen
Sigmar Gabriel
Gastautorin
Jack BauerSecond Life


Keine Kommentare vorhanden


Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*