Skip to main content

Helmut Heinen ist Verleger der „Kölnischen/Bonner Rundschau“ und Vorsitzender des Zeitungsverlegerverbandes BDZV. Wäre er dagegen Kapitän auf der Titanic gewesen, hätten seine letzten Worte vielleicht so geklungen: „Eisberg? Ich sehe keinen Eisberg. Aber lass uns mal in diese Wolke da fahren, da isses bestimmt schön.“ Früher einmal hatten Branchenverbände zwei Aufgaben. Die eine lag darin, die Interessen ihrer Mitglieder nach außen zu vertreten. Die andere war, Mitglieder zu beraten und über den Lauf der Dinge zu unterrichten. Heute dagegen sind Verbände meist kanonenbootartig um sich schießende Lobby-Vereinigungen ohne jede Kompetenz in aktuellen Fragen.

Womit wir beim BDZV wären. Der hielt jüngst seinen jährlichen Kongress ab. In WARNemünde, ironischerweise. Von dort überliefert er auf seiner Homepage ein paar Zitate. Zum Beispiel:

„Die Zeitung muss „cool“ werden.“
Ute Erdsiek-Rave, Präsidentin der Kultusmi­nisterkonferenz

„Die Zeitung ist der Browser.“
Eugen A. Russ, Herausgeber der „Vorarlberger Nachrichten“ (Schwarzach/Österreich)

Das interessanteste Zitat aber ist in der vergangenen Ausgabe von „Horizont“ zu finden (vielen Dank an Julius Endert, der mich darauf aufmerksam machte). Es stammt von BDZV-Präsident Helmut Heinen:

„Blogs, Wikis und User Generated Content sind in meinen Augen kein Journalismus. Bei all dem geht es um subjektive Perspektiven ohne Qualitätsprüfung.“

Schön, dass Herr Heinen es endlich mal ausspricht. Dafür braucht es eben einen Verband. Was dieser sich unter journalistischer Qualität vorstellt, demonstrierte er erbenfalls auf seinem Kongress. Zitat aus „Horizont“:

„Um dagegen mehr Leser zu binden, entdecken immer mehr Verlage das Thema Kundenkarten.“

Tja, schade, dass die journalistische Qualität nicht mehr reicht, um Leser zu binden. Da muss schon geiler Geize her. Dabei gibt man sich doch so viel Mühe:

„Die ,Vorarlberger Nachrichten‘ in Österreich haben ihren Immobilien- und Reiseteil in Workshops mit Anzeigenkunden konzipiert. Seither betrachten die Werbungtreibenden die Beilagen als ,ihr Baby‘ und schalten umso lieber, berichtet Herausgeber Eugen A. Russ…
Auch die redaktionelle Gestaltung von Anzeigen wird immer mehr von Werbekunden nachgefragt.“

Und wer, bitteschön, weiß besser, was der Leser will, als die Anzeigenkunden? Der nächste Schritt ist der Herausgeberposten für den Media-Markt-Marketingchef. So viel Qualität – das kann doch kein daher gelaufener Blogger liefern.

Natürlich gibt es bei solch einem Kongress auch warnende Mahnungen. So fordert der BDZV, das Product Placement im Fernsehen zu untersagen. Ja, wo kämen wir da hin, wenn plötzlich mir nichts, Dir nichts Produkte außerhalb von Anzeigen platziert würden.

Nein, nein, so was kann ein Zeitungsverleger nicht dulden. Alles unabhängig, kein Product Placement, nicht mal in der TV-Beilage „Prisma“. Übrigens ein Ableger des Du-Mont-Verlags, der die kaufmännische Seite des Heinen-Verlags übernahm, weil der sich aufgrund des großen wirtschaftlichen Erfolgs auf die Qualität der journalistischen Inhalte in voller Objektivität konzentrieren wollte. Ach Mist, jetzt hab ich doch gerade so einen unrecherchierten Dreck wie Wikipedia verlinkt, tschuldigung. Übrigens hätte ich mir auch gern die Auflagenentwicklung der „Kölnischen Rundschau“ angesehen. Doch die wird nicht mehr von der IVW kontrolliert. Somit können die Erfolge der Qualitätsprodukte aus dem Hause Heinen nicht mehr unabhängig verfolgt werden.

Weil die Verlage eben so viel Besseres liefern, als all die User und Surfer, gehört auch Bundes-Justizministerin Brigitte Zypries an den Pranger gestellt. Denn laut „Kress“ hat sie auf dem BDZV-Kongress gesagt:

„“In vielen Zeitungen verdrängen ökonomische Imperative immer stärker journalistische Maßstäbe“, hielt sie den Verlegern vor. Chefredakteure würden zu Produktmanagern, Werbung für eigene Buchreihen und CD-Editionen im redaktionellen Teil degradierten die Zeitung zum Werbeträger für Nebengeschäfte, Leser-Reisen könnten die neutrale Berichterstattung gefährden, Leser-Reporter leisteten dem Paparazzi-Unwesen Vorschub.“

Die würde auch nicht verstehen, dass es manchmal harte Maßnahmen braucht, um journalistische Objektivität und der Qualitätsprüfung zu sichern, wenn „Kress“ berichtet:

„Ohne Stadt-Ausgabe steht künftig die „Bonner Rundschau“ da. Die Verlage Heinen und M. DuMont Schauberg stellen Ende April die Ausgabe „Bonn-Stadt“ und die „Rhein-Ahr Rundschau“ im Kreis Ahrweiler ein. Die Redaktion der „Rhein-Ahr-Rundschau“ wird komplett geschlossen. Die Redaktion der „Bonner Rundschau“ wird um ein Drittel reduziert. Auf betriebsbedingte Kündigungen wollen die Verlage verzichten. Der Kölner Traditionsverlag DuMont gibt gemeinsam mit dem Heinen Verlag auch die „Kölnische Rundschau“ heraus. Bei DuMont erscheinen außerdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Kölner „Express“.“

Aber ich wollte ja auf die neue Rolle der Verbände eingehen. Und nehme ich das Beispiel des BDZV, so mutieren sie zum Sedativum, dass der Kuh verabreicht wird, bevor der Bolzen ihr Hirn und Leben wegnagelt: Schöne Beruhigung, damit der Abschied nicht so schmerzlich wird und ein wenig Beschimpfung gegen den Metzger.

Eines nur macht mir Sorgen. Heinen ist auch im Beirat der Forschungsstelle Medienrecht an der FH Köln. Im Sinne einer zeitgemäßen Ausbildung hoffe ich mal, er taucht nicht weiter an dieser Institution auf.

Aber das weiß ich nicht, denn ich recherchiere ja nicht. Dies ist ein subjektives Weblog ohne Qualitätskontrolle. Sollen sich doch andere um darum kümmern.

Nachtrag: Warum Disney aus dem BDZV ausgeschlossen würde.


Kommentare


la deutsche vita 12. Oktober 2006 um 13:33

Ich drucke jetzt Blogbeiträge immer aus bevor ich sie lese.

Antworten

Julius 12. Oktober 2006 um 14:10

Übrigens: Es ist ja nicht so, dass die Verleger (oder lieber nicht verallgemeinern) Herr Heinen es nicht hätte besser wissen können. Er hätte dazu nur mal im Jahrbuch seines eigenen Verbandes lesen müssen (Zeitungen 2006; Hrsg.: BDZV).
Das Jahrbuch wurde auf dem Zeitungskongress verteilt und wir lesen bereits im Vorwort: „Wikis, Blogs, Bürgerjournalismus – dank Internet und digitaler Technik tragen auch Leser, Hörer und Zuschauer, Nutzer immer mehr und immer intensiver zum täglichen Neuigkeiten-Angebot bei. Die Nachrichtenhoheit liegt nicht mehr allein bei Presse und Rundfunk.“

Und in dem lesenwerten Band wimmelt es dann auf den knapp 400 Seiten nur so von Texten, die sich mit der Zukunft der Zeitung beschäftigen. Eine kleine Auswahl: Innovation! Beispiele aus aller Welt; Auf dem Weg zu News 2.0 – Neue journalistische Darstellungsformen im Internet; Newspaper Next – US-Zeitungen im Wandel; und so fort.

Der Zeitungskongress wäre eine gute Chance gewesen, deutliche Signale für die Innovationsfreude und Entwicklungsbereitschaft- und fähigkeit der Branche auszusenden. Denn gute Ansätze und Ideen gibt es durchaus. Aber vielleicht hat Horizont auch nur die falschen Zitate gedruckt, ich war schließlich nicht in Warnemünde dabei – hoffen wir mal das Beste.

Antworten

Peitschen-Borchert 12. Oktober 2006 um 20:58

Ich werde auf das Zitat der Kanzlerin bei Gelegenheit gern zurückgreifen. Herzlichen Dank.

Antworten

Felix Deutsch 12. Oktober 2006 um 23:33

>Und hier die aktuelle Stellungnahme der Bundeskanzlerin: „Als Politikerin weiß ich: Zeitungsberichte sind das eine, die Realität ist das andere“

Das hat sie bei GW Bush geklaut. Der spricht auch gerne vom „media filter“, der leider alle guten Nachrichten (für ihn) zurückhielte.

Antworten

Anja Pasquay 17. Oktober 2006 um 16:49

Hübsch zitiert und knackig zugespitzt, aber eben nur die eine Seite der Medaille. Denn was BDZV-Präsident Heinen direkt zuvor auch noch gesagt hatte und was hier nicht zu lesen ist, war: „Ich denke, dass die Zeitungen jene vor allem durch das Internet herbeigeführten Veränderungen in der Kommunikationskultur auch als Chance begreifen sollten.“ Heinen war vornehmlich daran gelegen, die subjektive Perspektive herauszuarbeiten, aus der Blogs und/oder user generated content entstehen. Dass häufig eben, anders als für solide gearbeitete journalistische Beiträge, keine zweite oder dritte Meinung eingeholt, geschweige denn die Quelle recherchiert wird. Wofür dieser Blog im Übrigen das beste Beispiel ist.
Für die freundlichen Worte zum BDZV-Jahrbuch dankt die Redakteurin!

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*