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Springer-Chef Mathias Döpfner hat sich Gedanken aufgeschrieben, was gemeinhin zur journalistische Stilform des Essays führt. Thema: die Zukunft der Zeitung. Folgen wir einem der am wenigsten gemochten Medienmanager der Republik – aber andererseits: sonderlich viele gemochte gibt es ja auch nicht – entlang seines hoffnungsvollen Ausrufes: „Die Zeitung lebt“.

Ja, gut, was soll er auch anderes schreiben? Ansonsten könnte er ja gleich die Kündigung einreichen. „Die Zeitung muss leben“, wäre vielleicht passender gewesen aus seiner Sicht.

Kurzzusammenfassung: Zeitungen sind nur bedingt aktuell, deshalb mögen viele junge Leute sie nicht. Aber kein Medium hat das andere bisher ersetzt, die Sache mit CD und LP versucht Döpfner wenig gekonnt wegzuwischen. In Zeiten des Internet müssen sich Verlagsmanager darüber klar werden, dass ihre Aufgabe nicht das Bedrucken von Papier ist, sondern Journalismus. Dass die Nutzer/Leser mitmischen ist ein Teil der Zukunft. Doch die Nutzer/Leser brauchen einen Filter und deshalb sind Zeitungen weiter wichtig, doch es wird sie bald auf digitalem Papier geben. Ihre Inhalte müssen exklusiv und hochwertig sein, Kommentare sind ebenfalls wichtig.

Und weil BBC-Chef Mark Thompson kürzlich das hübsche Bild von den Martini-Medien entworfen hat, versucht es Döpfner so:

„Eine bessere Metapher für guten Journalismus als Gospel kann ich mir kaum vorstellen. Gospel ist Bewegung (groove), Gospel ist Geist (spirit) und Gospel ist Seele (soul). Guter Gospel bewegt die ganze Gemeinde. Und bewegen wollen wir doch.“

Alles nett, alles nicht falsch – aber für mich erschreckend. Denn verglichen mit 1999 unterscheidet sich Döpfners Argumentation um keinen Deut von dem, was damals, als das Internet alles zu verdrängen schien, so mancher Zeitungsmacher sich auch einredete.

Dabei aber wird übersehen, dass Texte die am leichtesten zu kopierenden Inhalte des Netzes sind. Einmal Copy & Paste, dann ein paar Worte verändert – zack hat man eine Sache übernommen. Sprich: Die Zahl derjenigen, die für die Online-Leistung zu zahlen gewillt sind, sinkt, weil es immer kostenfreie Konkurrenten geben wird. Auf diese Rivalität hat noch kein Verlag eine vernünftige Antwort gefunden.

Dann die andere Seite der Einnahmen: Anzeigen. Derzeit liegen Online-Anzeigenpreise unter denen von Print. Verständlich, denn das Abdrucken einer Anzeige ist ein technisch anspruchsvollerer Vorgang, das Ergebnis erheblich eindrucksvoller. Bereits jetzt gibt es Stimmen die sagen, Online-Anzeigen führten schneller zum Erfolg als Print-Anzeigen. Sollte sich das als wahr herausstellen, werden weniger Buchungen sich mischen mit niedrigeren Preisen.

Bleibt also nur die Hoffnung auf das „digitale Papier“. Davon reden viele, und das schon sehr lang. Die Umsetzung aber stottert weiter vor sich hin. Und ob dieses Medium dann tatsächlich eher angenommen wird als ein PDA oder ein Handy ist völlig offen.

Döpfner hält die Macht der Sprache für den großen Unterschied zwischen Print und Online. Warum? Werden bei den Online-Angeboten Springers lange Texte deutlich seltener gelesen als kurze? Damit stünden Welt.de & Co allein da – die meisten Internet-Plattformen klassischer Medien stellen fest, dass auch lange Texte gelesen werden. Weblogs beweisen, dass selbst einfach schön geschriebene Artikel ohne Nachrichtenwert ihre Leser finden.

Womit wir bei Weblogs und anderen Netz-Angeboten als Filter wären. Werden tatsächlich Zeitungen künftig der Nachrichtensortierer bleiben? Oder wird ein Großteil der Nutzer nicht lieber Filtern vertrauen, die sie zu kennen glauben, ähnlich wie das beim US-Startup Personal Bee der Fall ist? Dort übernehmen namentlich bekannte Personen die Filterfunktion. Wem wird man eher vertrauen: Ihnen oder Chefredakteuren, die man bestenfalls aus dem Fernsehen kennt – wenn überhaupt.

Natürlich freut es mich, wenn Döpfner die Fahne der Qualität hoch hängt. Man darf gespannt sein, ob der „größte Newsroom Deutschlands“ die Revolution bringt. Übrigens darf dieser „größte Newsroom“, so erzählte mir jemand, maximal 64 Köpfe haben – mehr ist nach Brandschutz in Deutschland nicht erlaubt (vielleicht gibt es hier einen Brandschutzkundigen, der das bestätigen kann).

Vielleicht wird die „Welt“ ja wirklich die erste Zeitung, bei der das Internet nicht Anhängsel ist um mehr Zeitungs-Abos zu verkaufen, sondern integraler Bestandteil. Wie ein Mantra sollten sich kaufmännischer und redaktioneller Teil einer Zeitung immer wieder vormurmeln: „Die Welt/das Handelsblatt/die FAZ/die FTD ist keine Zeitung“. Nur dann werden sie Internet und Papier im Kopf auf einer Höhe positionieren. Doch muss sich nicht gerade Döpfner fragen lassen, wie weit es bestellt ist in seinem Hause mit der Qualität?

Man möge mich nicht falsch verstehen: Auch ich glaube, dass Zeitungen eine Zukunft haben können. Eben wenn sie gospelig werden, um im Döpfner-Jargon zu bleiben. Nur sind es oft gerade die Verlagsmanager, die sie daran hindern, weil sie Angst haben vor schrägen Ideen, unkonventioneller Optik und journalistischer Unabhängigkeit.


Kommentare


Weltherrscher 9. Mai 2006 um 18:53

\“..weil sie Angst haben vor schrägen Ideen, unkonventioneller Optik..\“

da ist DER hauptgrund überhaupt. zeitungen von heute sind die medien von gestern und das wollen die leute von morgen nicht mehr. geschmirgeltes flachgesuppe an jeglicher realität vorbeigeschriebenes macht es echt schwer, sein geld opfern zu wollen (die c\’t, das handelsblatt und der spiegel ausgenommen; nachdem ich dieses blog kenne, kaufe ich wieder gerne hb).

wenn das umdenken in den verlagsleitungen nicht so schmerzhaft wäre, hätte schon längst auch dort eine veränderung stattfinden können.
aber ne, lieber wird weiter geheult und in die zukunft hineingejammert, wie die musikindustrie, die filmindustrie und die verlage sowieso.

die zukunft werden andere bestimmen, nämlich die, die es angehen..

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Don Alphonso 9. Mai 2006 um 18:58

Die Idee mit dem elektronischen Multimediapapier, das auch Radio und Filmabspiele ist, beruht auf der Annahme, dass man es als proprietäres Formal dem Leser in die Hand drückt und ihn nur für die Inhalte zahlen lässt. Willste dann mitbloggen, musste Dich dort einklinken und denen beim Ertragsteigern helfen. Die glauben, das geht wie bei den Handyprovidern. Peinlich finde ich aber den Ansatz davon auszugehen, dass es immer Deppen gibt, die bedient werden wollen. Spätestens, wenn das private Filtern mal so einfach ist wie das Abobestellen, schaut es wirklich eng aus für die Medien. Abgesehen davon, was ist schon die Welt? Ein schweineteurer Monyburner, der es noch nie geschafft hat, wirklich gute Leser zu bekommen.

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Weltherrscher 9. Mai 2006 um 19:21

kaufen würde ich mir so ein \“Multimediapapier\“ aber sofort… :-
wäre schön, wenn es auch endlich eins geben würde, auch ein ebook würde ich mir sofort kaufen, wenn es was sinnvolles geben würde.

aber das dauert sicherlich noch bis web0:2 (tore erst im elfmeterschiessen gefallen).
schade eigentlich..

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Peter Turi 9. Mai 2006 um 19:59

Hallo Thomas,
damit hast Du sicher recht:
>>Ja, gut, was soll er auch anderes schreiben?

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Peter Turi 9. Mai 2006 um 20:01

Mist, der halbe Kommentar ist weg.

Ich wollte Dich fragen, was Du von Döpfners Aussage hältst:

\“Das Prinzip Zeitung ist das Prinzip Führung. Das macht sie so scheinbar altmodisch. Und das Prinzip Führung macht die Zeitung zugleich so zukunftssicher. Denn an das Prinzip Führung, an eine tiefe Sehnsucht nach Hierarchie, glaube ich genauso fest wie an die Funktion des Marktplatzes.\“

Mir ist eine solche Sehnsucht nach Hierarchie sehr fremd.

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Jo 9. Mai 2006 um 20:07

Ich will es nicht beschwören, aber eine Obergrenze von maximal 64 Leuten pro Newsroom erscheint mir nicht stimmig.
Gibt es außer der erlauchteren Nutzerschaft einen wesentlichen Unterschied zwischen einer Redaktion und einem stinknormalen Großraumbüro? Doch eher nicht.
Vorbeugender baulicher Brandschutz funktioniert grob beschrieben so: Entweder, man nimmt die baulichen Gegebenheiten (Baustoffe, Raumgrößen, vorhandene Rettungswege) und beschränkt die Nutzung entsprechend, oder man passt das Gebäude der vorgegebenen Nutzung an.
Dafür gibt es jede Menge Vorschriften, und wo diese nicht ausreichen Fachplaner, welche entsprechende Branschutzkonzepte erstellen.

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Chat Atkins 9. Mai 2006 um 22:37

Wessen Zukunft?

MfG

Thomas Knüwer schrieb: \“… die Zukunft der Zeitung … \“

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Thomas Knüwer 10. Mai 2006 um 9:31

@Peter Turi: Hierarchie ist ein unglücklich gewähltes Wort. Führung passt besser. Und nach der werden weiterhin die meisten Menschen verlangen. Wir, die wir aktiv im Netz unterwegs sind, begreifen relativ schnell, welchen Informationen wir vertrauen können, wie Diskussionsstränge laufen, wo wir welche Daten bekommen. Aber damit sind wir – auch dauerhaft – der kleinere Teil der Menschheit.

Ich behaupte, der normale Bürger will Vorauswahl der Information. Das ist der Grund für das Scheitern der Online-Portale: Wenn ich mir einstellen kann, aus welchen Bereichen ich Informationen bekommen möchte, rauscht in einer vernetzten Welt vieles, was mich interessieren würde, an mir vorbei.

Führung wird also eher wichtiger, als unwichtiger. Nur: Wer diese Führung leisten wird (ich will hier jetzt keine Witze über einen Führer lesen, klar?) ist offen. Das müssen nicht die klassischen Medien sein.

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Allerlei 10. Mai 2006 um 18:41

Thomas Knüwer kommentiert in seinem Blog “Indiskretion Ehrensache” einen Essay von Springer-Chef Matthias Döpfner über die Zukunft der Zeitung:
Döpfner hält die Macht der Sprache für den großen Unterschied…

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this city will kill me 12. Mai 2006 um 14:09

In Zeiten des Internet müssen sich Verlagsmanager darüber klar werden, dass ihre Aufgabe nicht das Bedrucken von Papier ist, sondern Journalismus.
Find ich klug. Hat der Heliumkiffer beim Herrn Knüwer gefunden.
Technorati Tags: Heliumkiffer, Handel…

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Der Tipping Point für Deutschlands Zeitungen: die Gratis-Bild 20. November 2015 um 11:06

[…] hat sich die Konzernsprache in den vergangenen Jahren verschoben. 2006 verkündete Springer-Chef Mathias Döpfner in einem Text noch: “Die Zeitung lebt”, propagierte die Riepl’sche Fata Morgana, nach der noch kein Medium ein anderes ersetzt habe, […]

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