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Das Image des Italieners ist ein wenig gutes. Vor allem wenn es um Mauscheleien und Korruption geht. Wer den Winterspielen beiwohnt, kann den Eindruck gewinnen, dass da irgendwas dran sein könnte, berichtet Olympia-Korrespondent Grischa Brower Rabinowitsch.
Gestern bin ich wieder zum Langlauf gefahren. Leider starten die die Loipenspezies immer so früh. Um 9.45 Uhr startet der 4×5 Kilometer Mannschaftswettbewerb der Damen – und ich bin noch nicht da.

Wir werden erst um kurz vor neun Uhr in Oulx abgeholt. Ich habe sogar Glück ? der Fahrer lässt meinen Kollegen Ralf Drescher und Ricoh-Ralle gegen 9.30 Uhr am Deutschen Haus ab und fährt mich weiter. Wir müssen aber noch auf zwei Mitarbeiter der Deutschen Sport-Marketing warten, die auch zu den „Mädels“ (O-Ton Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle) an die Piste wollen.

Fahrer Olli bleibt also mitten auf einer Kreuzung im Halteverbot stehen. Kaum sind Ralf und Ricoh-Ralle verschwunden, kommen zwei Carabinieri in ihrem typischen, schlendernden Gang auf unser Auto zu, als hätten sie alle Zeit der Welt. Olli kurbelt das Fenster runter, der Carabinieri macht ein böses Gesicht und deutet drohend an, dass wir hier sofort zu verschwinden haben. Das kann ja lustig werden, denke ich, jetzt machen wir gleich noch eine kleine Rundfahrt. Doch Olli bleibt ganz cool und sagt „Aaaaaaaaah, non“ und grabbelt in seiner Tasche herum. Plötzlich holt er zwei Pins heraus und hält sie dem Polizisten unter die Nase.

Der zieht die Augenbrauen hoch, grabscht nach den Pins und untersucht sie eingehend. Der zweite Carabinieri kommt dazu und beide befingern sie die Anstecknadeln mit dem Aufdruck „Deutsches Haus Turin 2006“.

Scheinbar gefallen die Pins den Uniformierten ziemlich gut, denn plötzlich dreht sich der erste wieder um, sagt „Grazie“ und geht weg. Nach zwei Metern dreht er sich noch einmal um und ruft: „Thank you“. Unglaublich. Wir dürfen stehen bleiben und der Polizist spricht Englisch!

Schattenwährung Pins ? das nächste Beispiel dafür erlebe ich gleich in Pragelato am Eingang zu der Langlaufanlage. Ich habe zwei Anstecknadeln aus dem Deutschen Haus an meinem Akkreditierungsband hängen. An der Sicherheitsschleuse quatscht mich plötzlich eine Sicherheitsbeamtin an (auch auf Englisch!) und fragt, ob sie einen meiner Pins haben könnte.

Da sie selber einige interessante Pins an ihrem Band hängen hat, frage ich sie, ob wir nicht tauschen könnten. „Oh, no“, sagt sie, sie habe von jedem nur einen. Und bietet mir statt dessen ein Stück Raffaello an….

Herrje, das brauche ich nun wirklich nicht. Also drücke ich ihr einfach einen Pin in die Hand und sehe zu, dass ich reinkomme, ich bin ja schließlich schon zu spät. Leider kann ich das alles nicht fotografieren, weil die Batterie meiner Kamera gestern Nacht ihren Geist aufgegeben hat.

Das Rennen ist sensationell. Ich verfolge es diesmal fast komplett von der Mixed-Zone aus ? diesmal kann ich sogar sehen wie Claudia Künzel am Ende den Turbo einlegt, die Schwedinnen und Italienerinnen spielend überholt und Silber holt. Jubel in der Mixed-Zone! Selbst hartgesottene Sportjournalisten können es kaum glauben. Und irgendwie scheinen sie doch alle Fans zu sein….

Zurück im Deutschen Haus ? ich erzähle jetzt mal lieber nicht, wie viele Busse einfach vorbeigefahren sind ? schnappe ich mir gleich noch eine Hand voll Pins und stecke sie mir an mein Band. Man weiß ja nie, wofür die mal gut sind:

Die Fahrer haben mir noch einige andere skurrile Geschichten erzählt. Zum Beispiel Jojo: Er hat in Cesane an der Durchfahrtskontrolle im Stau gestanden und mit seinem Handy telefoniert ? natürlich rein dienstlich. Dummerweise hat er deswegen nicht gesehen, er stand inzwischen mitten in der Kreuzung, dass ein Polizist ihm winkt, er solle weiterfahren. Als er nicht reagiert winkt der Carabinieri ihn gleich raus.

100 Euro Strafe und 5 Punkte! Jojo bekommt es mit der Angst und fängt eine Diskussion mit dem Carabineri an. Sein Vorteil: Er kann italienisch…

Jojo holt eine ganze Hand voll Pins aus der Tasche ? das reicht für die 5 Punkte. Aber die 100 Euro bleiben, sagt der Polizist. In seiner Not bietet Jojo ihm dann sein Band an, an dem die Akkreditierung für das deutsche Haus hängt. Auch da sind die olympischen Ringe und der Schriftzug ?Deutsches Haus Turin 2006 drauf?. Der Carabinieri zögert nicht lange, nimmt das Band und lässt Jojo weiterfahren.

Vielleicht war die Drohung ?100 Euro und 5 Punkte? auch nur eine Masche ? was stören einen deutschen Führerscheinbesitzer denn schon 5 italienische Punkte? Sei?s drum, mit den Pins lassen sich die Carabinieri hier jedenfalls leicht besänftigen. Die Fahrer nehmen inzwischen schon immer ganze Säcke davon mit ? Sicher ist sicher.

Den besten Job hier im Haus in Punkto Pins hat übrigens Elisa von der Information. Erstens ist sie Italienerin und beherrscht die Sprache perfekt (es kommen auch viele Italiener zu offiziellen Anlässen hier her) und zweiten liegen dort immer gaaaaanz viele Pins. Und immer wenn sie einen verschenkt, dann fragt sie nach einem Tauschobjekt. Ihr Band ist deshalb wesentlich wertvoller bestückt als meines:

Die Pin-Mania ergreift sogar Menschen, die sich noch nie in ihrem Leben für Anstecknadeln interessiert, geschweige denn begeistert haben. Wolle II, das ist einer unserer Hausfotografen, hat heute in Sestriere für 50 Euro einen Pin vom Olympischen Komitee der USA gekauft (und der Verkäufer wollte sogar das Doppelte).

Waaaahnsinn. Da bleibe ich doch lieber bei den Ansteckern aus dem Deutschen Haus.

PS: Alle Fotos haben ausnahmsweise die Hausfotografen von Picture Alliance gemacht

Autor: Grischa Brower-Rabinowitsch.

Alle Ausgaben des Ringe-Reporters gibt es hier.


Kommentare


Georgia 19. Februar 2006 um 15:43

Nun das mit den Pins ist doch nichts Neues. Oder solltet Ihr etwa nicht bei der EXPO2000 in Hannover gewesen sein. Da halfen Pins auch weiter – wie bei jeder internationalen Großveranstaltung.
Also los gehts ans fröhliche Sammeln, denn die Fußball WM steht vor der Tür und die Pin-Währung wird auch in Stuttgart, München, Berlin, … das Leben leichter machen.

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Jens Matheuszik 19. Februar 2006 um 16:23

Da sollte man sich glatt überlegen eigene Pins zu entwickeln. 😉

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Marco 19. Februar 2006 um 22:59

hallo,

das mit den Pins ist echt bei jeder Großveranstaltung so, hab ich das letzte Mal beim WJT2005 in Köln erlebt.

Und ich wollte mich für diesen großartigen Blog bedanken, wirklich sehr gut geschrieben, momentan der beste, den ich regelmäßig lese!!! weiter so

Und ich hoffe, deine Kamera erholt sich wieder, deine Bilder waren immer super, haben die Stimmung sehr gut eingefangen.

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